
© Manfred Thomas
Von Almut Andreae: Räume, Grenzen, Spuren
Assoziationsreiches Gastspiel: Das Neue Atelierhaus Panzerhalle präsentiert sich im Kunstraum Potsdam
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Eine Leuchtboje, signalrot das weithin sichtbare Kreuz aus Bauholzlatten an der Fassade zum Kunstraum am Schirrhof. Es macht neugierig, provoziert, zieht einen dicht ran. Von der ihm ursprünglich zugedachten Stelle musste es im letzten Moment freilich weichen. Kiki Gebauer, verantwortlich für die temporäre Installation am Bau, hatte mit dem aufmüpfigen großen „X“ einen der beiden Durchgänge zum Kunstraum verbarrikadiert. Die Radikalität der Geste wurde durch das Veto vom Bauschutz vereitelt. Der Spagat zwischen künstlerischer Freiheit und behördlichen Auflagen mündete in einen Kompromiss. Kunst, die sich an Grenzen reibt, an politischen wie anderen, die genauer hinschaut, hinterfragt, auch ironisiert und sich eigene Räume erobert, verbindet trotz aller Verschiedenartigkeit der Formulierung die Positionen von 16 Künstlerinnen und Künstlern, zu sehen aktuell im Kunstraum Potsdam.
„Der Geschmack von Wolken“ – so der bewusst offen gewählte Ausstellungstitel zum Gemeinschaftsprojekt – beschreibt das Vorhaben einer Gruppenausstellung, die sich einem thematischen Nenner im engeren Sinne verweigert. Ausgehend von dem Jubiläumsthema des Jahres haben sich die am Projekt beteiligten Künstler von politischen Inhalten überwiegend frei gemacht. Zwanzig Jahre Mauerfall ist für jeden von ihnen in erster Linie eine sehr persönliche Angelegenheit. Entsprechend individuell sind auch die unterschiedlich ausfallenden Blickrichtungen und Sichtweisen.
In Auswahl und Dramaturgie der gezeigten Gemälde, Zeichnungen, Installationen, Videos, Fotos, inklusive einer Performance zur Eröffnung am Sonntagnachmittag hat die Kunsthistorikerin Silke Feldhoff großes Geschick bewiesen. Sie war der Einladung der Künstler vom Neuen Atelierhaus Panzerhalle gefolgt, die sonst im eigenen Domizil stattfindende jährliche Gruppenausstellung für das geplante Gastspiel im Kunstraum Potsdam zu kuratieren.
Auf dem Weg dorthin hieß es für einige der Panzerhallen-Künstler aus dem gemeinsamen Ausstellungsexpress aussteigen. Stattdessen holte man drei Künstler von außen mit dazu. Im Ergebnis der Thematisierung von Grenz-Erfahrungen, Sehnsuchtsräumen, von Perspektiv- und Richtungswechseln präsentiert sich die Ausstellung gleichzeitig abwechslungs- und anspielungsreich. Authentisch und kraftvoll, oft überraschend sind die von den Künstlern gefundenen Formulierungen und Bilder, die im Zeitraum von 1989 bis 2009 entstanden.
Dabei greift die in ihrem Pathos bewusst gebrochene Außeninstallation von Anna Schimkat „Schwarz Rot Gold“ mit zwanzigfach gehissten Nähanleitungen für die Deutschlandfahne in Siebdruck auf Fahnenstoff ebenso wie das Wand füllende Mauer-Bild „Joint Venture“ von Margaret Hunter am konkretesten nationale Symbole der Teilung und Wiedervereinigung auf. Die in diesem Sommer stattgefundene Grundsanierung der Berliner East Side Gallery gab Hunter den entscheidenden Impuls: Für die Potsdamer Ausstellung fertigte sie annähernd in Originalgröße eine Kopie ihres 1990 und nach der Sanierung erneut an der East Side Gallery angebrachten Joint Venture-Bildes an. Eine Holzleiter und bereitgelegte Farbstifte animieren im Kunstraum zur „public participation“, zur aktiven Mitgestaltung durch die Ausstellungsbesucher an dem sich auf diese Weise stetig verändernden und fortschreibenden Bild.
Berlin spezifisch auch die benachbarten Ölgemälde von Sibylla Weisweiler, die in Pixelmanier die Topographie der City aus der Luftperspektive festgehalten hat. Aus dem Berliner Kupferstichkabinett entliehen sind die fragilen Zeichnungen Dagmar Uhdes aus ihrer Ost-West-Serie, entstanden im Herbst 1989.
Mit der Öffnung des Raums in der Vorstellung und mit der Selbst-Befragung arbeitet Katrin von Lehmann in ihren Fotoflechtungen, die an verschiedenen Punkten der Ausstellungen dazu einladen innezuhalten.
Von gänzlich anderer Natur daneben die an den Tatlinschen Turm erinnernde, sich mit der Wendeltreppe verbindende Lattenkonstruktion Carsten Hensels. In seiner Performance bei der Ausstellungseröffnung spürte er, gewagte Parolen skandierend („Die deutsche Romantik ist schuld an der deutschen Teilung!“), schicksalhaften Verstrickungen deutscher Vergangenheit nach.
Entwaffnend offen zeigt sich oberhalb der Wendeltreppe Beret Hamann in ihrer Raumarbeit „Nur für meine Freunde“. Hierzu hat sie in den vergangenen Wochen und Monaten zwei Freunde aus ihrer Studienzeit zu deren Erfahrungen mit der politischen Umbruchsituation und deren Folgen für die eigene Entwicklung befragt. Die Ergebnisse der Befragung sind zusammen mit Fotos, Zeichnungen und handschriftlichen Einträgen der Befragten in den aufgeschlagenen Büchern nachzublättern. Angekettet an Pulte aus Ostzeiten eröffnen sie Einblicke in drei Ost-West-Biographien von Menschen (einschließlich der Künstlerin), die heute um die 40 Jahre alt sind. Das sich Zurückerinnern und Überführen in eine Form, die über das rein Persönliche hinausgeht, eint mehrere künstlerische Beiträge in dieser Ausstellung. Auch vor diesem Hintergrund bildet der Filmloop „Sensor“ von Anna Werkmeister einen starken, zumal würdigen Abschluss.
„Der Geschmack von Wolken". Bis zum 7. Februar 2010: Geöffnet: Mi-Fr 12-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr, Schiffbauergasse 4. Am 17.Januar um 16 Uhr gibt es außer einer Führung und einem Künstlergespräch auch das zur Ausstellung angekündigte Begleitheft.
Almut Andreae
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