
© Andreas Klaer
Kultur: Raus aus der Enge
Mit Bildern von Fancher Brinkmann nehmen Rainer und Ursula Sperl Abschied von der Galerie in der Wilhelm-Staab-Straße
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Fancher Brinkmann erzählt mit Farbe. Formen, Figuren braucht sie nicht. Im ersten Moment verliert sich das Auge darin, womöglich zweigt es sogar falsch ab. Denn ihre Farben, das viele warme Rot, das Violett, erinnern an esoterische Kalender. Trotzdem bleibt man stehen, weil man instinktiv erkennt: Da steckt mehr in ihnen als simple Farbpsychologie.
Klar: Fancher Brinkmanns Bilder, die noch bis Ende Juni in der Galerie Sperl zu sehen sind, sind – trotz ihrer intensiven Farben – auch Projektionsflächen. Einfach, weil ihnen das fehlt, was das Auge schnell als vertraut erkennt. Also beginnt man zu suchen und in diesen Flächen aus meist zwei, manchmal drei verschiedenen Farben auf einem Bild Formen herzustellen. Dieser feine Schimmer etwa, der wie ein Keil zwischen diese wuchtige Masse an Violett bohrt. Könnte das nicht Zigarettenrauch in einer Sommernacht sein? Und wie Pastellgelb und Orange da zusammenschmelzen, ist das nicht ein Sonnenuntergang überm Hafen? Geschenkt, dass diese Assoziation naheliegt, weil Fancher Brinkmanns Maltechnik und ihre Farben oft an den britischen Maler William Turner erinnern, bei dem sich Schiffe nur so tummeln.
Und so steht man vor diesen Bildern und hangelt sich von einer Idee zur nächsten. Bemerkt, dass die Palette von Farben eigentlich klein ist, Blau, Gelb, Rot, dass Dunkelblau aber einmal alle Annehmlichkeiten des Schlafs versprechen kann, einmal die Frische des Morgens und dann wieder den gefährlichen Sog der Schwermut. Was jeder für sich zu erkennen glaubt, ist aber egal, die Künstlerin selbst glaubt, dass die Betrachter in ihren abstrakten Bildern jeweils das sehen, was ihrer momentanen Lebenssituation entspricht.
Neben ihrer Funktion als Dienstleister an der Fantasie der Betrachter haben Fancher Brinkmanns Arbeiten aber auch ein Eigenleben. Die gegenständliche Realität spielt darin keine Rolle. Darum geht es schließlich beim Abstrakten: Das „so wie“ hinter sich zu lassen und etwas Eigenes zu erzählen. Theo van Doesburg, einer der Mitbegründer der internationalen Kunstbewegung „De Stijl“, fand sogar, dass Malerei erst dann an ihrem Ziel und Höhepunkt angelangt ist, wenn sie sich allein auf ihre eigenen Mittel konzentriert, also auf die Farbe und die Form.
Und bei Fancher Brinkmann ist es eben die Farbe, die etwas von größeren Zusammenhängen, vom Anfang und vom Ende erzählt. Insofern passen die Arbeiten gut in die Räume der Galerie Sperl in der Wilhelm-Staab-Straße 11, auch wenn die Räume dort eigentlich zu eng sind für diese Formate von bis zu knapp zwei mal zwei Metern. Denn die Ausstellung, die schlicht „Bilder in Öl“ heißt, ist die letzte, die in den Räumen in der Wilhelm-Staab-Straße zu sehen sein wird. Die beiden Galeristen Ursula und Rainer Sperl ziehen anschließend endgültig um ins Schaufenster der Fachhochschule in der Friedrich-Ebert-Straße. Wobei – was heißt schon endgültig?
„Wir sind immer umgezogen“, sagt Rainer Sperl und lacht. Angefangen haben die beiden kurz nach der Wende im Holländerviertel. Zehn Jahre später mussten sie dort raus, seitdem suchen sie nach dem perfekten Ort in Potsdam. Das Schaufenster der Fachhochschule könnte er sein. Doch die soll 2018 abgerissen werden – ginge es nach dem Willen der Stadt, dann sogar noch früher. Trotzdem ist der Umzug ein Gewinn für Sperls. Rund 500 Quadratmeter Fläche stehen ihnen dort zur Verfügung – so viel Platz wie noch nie und Tageslicht von zwei Seiten. Schon seit einem Jahr bespielen sie das Schaufenster auch – aber eben nur nebenbei. Nach dem offiziellen Umzug können Sperls dort endlich neben Malerei auch Skulpturen zeigen – und für die Arbeiten ihrer zehn Bestandskünstler, all diejenigen also, die sie regelmäßig ausstellen, hat Reiner Sperl ein Lager eingerichtet. „Dort wird untergestellt, was frisch aus den Ateliers kommt, die Besucher sind so quasi immer auf dem neuesten Stand“, sagt Rainer Sperl.
Zwei- bis dreimal im Jahr planen er und seine Frau dann große Sonderausstellungen.Die erste eröffnet am 24. August mit Arbeiten der argentinischen Malerin Elena Gatti. Ursprünglich hatten sie geplant, die neuen Räume mit einer Schau des Bildhauers Rainer Fürstenberg einzuweihen, der 1961 in Potsdam geborene Künstler aber nahm sich vor einem Jahr das Leben. Ihrem Konzept werden die Sperls weiterhin treu bleiben: Ein fester Stamm von überwiegend Brandenburger Künstlern, die jährliche Schau „Kleine Formate“, die in diesem Jahr auch noch 20-jähriges Jubiläum feiert, und zwischendrin immer mal Ausstellungen mit international bekannten Malern und Bildhauern.
Dabei folgen die beiden Galeristen immer einer einfachen Maxime: „Wir suchen Künstler, die Künstler sein wollen, keine Maler“, sagt Ursula Sperl. Was damit gemeint ist, hat ein echter Künstler wohl am treffendsten formuliert: „Ein Maler malt, was er verkauft – ein Künstler verkauft, was er malt“, sagte Picasso, und mit dem kann man ja wenig falsch machen.
So sind die beiden auch auf Fancher Brinkmann gestoßen, 2004 entdeckten sie Arbeiten von ihr bei einer Mercedes-Benz-Schau in Berlin. Sie kam, damals und jetzt noch einmal, dabei musste sie sich für Sperls im wahrsten Sinne des Wortes beschränken: „Eigentlich sind ihre Bilder noch größer, aber dann hätten sie hier nicht hineingepasst“, erzählt Rainer Sperl. Solche Probleme werden sie künftig nicht mehr haben.
Und auch, wenn die neue Galerie Sperl wieder einmal nur eine auf Zeit sein wird, wollen die beiden Galeristen einen Beitrag dazu leisten, das Umfeld des neuen Landtagsschlosses ein klein wenig schöner zu gestalten. „Auch, wenn ich eigentlich ein Gegner des Wiederaufbaus war“, sagt Sperl. Andererseits: „Mit Knobelsdorff kann man auch nicht viel falsch machen.“
Die Ausstellung „Bilder in Öl“ von Fancher Brinkmann ist noch bis zum 22. Juni in der Galerie Sperl, Wilhelm-Staab-Straße 10/11 zu sehen. Geöffnet ist jeweils mittwochs bis sonntags von 12 bis 18 Uhr
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