Kultur: Rauschhafte Reise durch die Abstraktion Die Novelle des Malers Frank Michael Zeidler
In der Kunst, findet der Frank Michael Zeidler, herrscht ein babylonisches Sprachgewirr. Etliche unterschiedliche Stile und Richtungen würden dort nebeneinander existieren und wenig miteinander sprechen.
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In der Kunst, findet der Frank Michael Zeidler, herrscht ein babylonisches Sprachgewirr. Etliche unterschiedliche Stile und Richtungen würden dort nebeneinander existieren und wenig miteinander sprechen. Eine ganz eigene Stimme erhebt der Potsdamer Maler nun in seiner Novelle „Der Museumsbesuch“, die vom Kunstverein Kunsthaus Potsdam herausgegeben wird. Sie beschreibt den Gang der Hauptfigur durch eine Ausstellungseröffnung. Ungewöhnlich ist die Sichtweise des Protagonisten, die geschilderte innere Reise, auf die er sich begibt. Zunächst verwirrt wegen des quirligen Gewusels der Menschen, die sich durch die Ausstellung drängen, vollzieht sich dann eine Wandlung. Immer intensiver erlebt der erzählende Betrachter die Kunst.
Zur Sprache hat Zeidler, eigentlich Maler, eine Beziehung, die enger ist als die der meisten bildenden Künstler. Denn Zeidler studierte zunächst Germanistik und Philosophie, bevor er sich an der Akademie in Berlin für die freie Kunst bewarb. Auf die Frage der Aufnahmekommission, was ihn denn aus einer möglichen sicheren Existenz als beamteter Lehrer in die Arme der flatterhaften Kunst treibe, antwortete Zeidler: „Kunst ist angewandte Philosophie.“ Das überzeugte offensichtlich, er bestand die Aufnahmeprüfung. Er habe die Entscheidung nie bereut, es sei ein spannendes Leben, das ihm die Kunst bisher beschert habe.
„Gelblinge“ ist der Titel einer Bilderserie abstrakter Arbeiten. Gelb leuchtende Flecken blühen da wie Sonnen und Butterblumen, zitternde, fragile Linien lagern darüber, dunkle Flecken setzen einen Kontrapunkt zur warm glühenden Farbigkeit. Passend dazu schreibt Zeidler in seiner Novelle: „Last euch in die Ebenen des Träumens tragen, in die Sphären des süßen Nichtglaubens, mögt ihr das Denken in das bewundernde Stottern verzaubernd verwandeln.“ Immer weiter werden der fiktive Ausstellungsbesucher und der Leser in die Bilder, Farben und die Welt des Künstlers hineingesogen. Schließlich verschmelzen Betrachter und Künstler in einem rauschhaften Farberlebnis: Das Glück der bedingungslosen Hingabe an die Abstraktion der Farbkaskaden, die sich über die Leinwand ergießen und zu einem leuchtenden Feld verdichten.
In der Kunst könne er die glückliche Auflösung all dessen erleben, was sonst als bedrängend und bedrohend empfunden werde, sagt Zeidler. Daher seien die abstrakten Bilder, auf denen zunächst kein Gegenstand auftauche, nicht nur ungegenständlich – sondern Utopien eines zweckfreien, der Schönheit und dem freien Spiel der Gedanken verbundenen Lebens. Auch sein Text kreist darum, wie der Betrachter sich aus den Zwängen des Alltags auf eine Reise in die Welt begibt, die ihm die Bilder eröffnen.
Trotz seiner Hingabe an die Malerei prägt auch die Politik Zeidlers Leben. Seit Jahren ist er Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes und hat sich in Diskursen und Symposien mit der Bedeutung des Urheberrechts für Künstler im Zeitalter der grenzenlosen Reproduzierbarkeit der Werke auseinandergesetzt. Das Schreiben über Kunst ist ihm durch diese Arbeit also vertraut, in der Novelle hat er eine neue Form dafür gefunden. Richard Rabensaat
„Der Museumbesuch“ von Frank Michael Zeidler ist über den Kunstverein Kunsthaus Potsdam erhältlich
Richard Rabensaat
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