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Blick in die Ausstellung der Galerie M mit Milan Chlumskys Spiegelungen.

© A.Klaer

Von Almut Andreae: REAL – Wirklichkeit durch sieben

Künstler aus Heidelberg präsentieren sich in der Produzentengalerie M im Luisenforum

Stand:

Ein Bild vermag mehr als tausend Worte – eine Binsenwahrheit, fürwahr, die im Falle der Bilder von Klaus Staeck plakative Züge annimmt. Seine Farbfotos von ganz alltäglichen Szenen der Ex-DDR sprechen Bände: Im spiegelnden Glas eines mit Mobiliarfragmenten notdürftig bestückten Schaufensters fängt sich der Blick in der gegenüberliegenden Straßenseite mit Trabbis. Über dem Schaufenster ist das große „R“ des Schriftzugs „Raumkunst“ längst geborsten. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Das Bild ist hinreichender Kommentar zu einer Realität, die es genauso längst nicht mehr gibt. Klaus Staeck, Foto- und Plakatkünstler, Grafiker und seit drei Jahren Präsident der Akademie der Künste in Berlin, ist ein Kind des Ostens und1956 von Bitterfeld nach Heidelberg übersiedelt. Dem Land, in dem er seine Jugend verbrachte, gilt, aus der zeitlichen und räumlichen Distanz heraus, ein gerne ironischer und dennoch irgendwie auch wehmütiger Blick. In unzähligen Fotos hat er seit der politischen Wende festgehalten, was sich sonst in der Erinnerung nur allzu schnell verwischt: „Kaufhaus des Herrn“, „Wohnkultur“ und „Scharfe Sachen“ – so die Titel weiterer Fotos – wirken wie Stillleben einer vergangenen, fast unwirklich erscheinenden Realität.

„REAL“, so das Thema, dem sich außer Staeck sechs weitere Künstler aus Heidelberg stellen. Alle sieben sind nun im Rahmen einer Gruppenschau in der Produzentengalerie M zu sehen. Das Realitäts-Thema reflektieren sie über die Fotografie. Alleinige Ausnahme an der Stelle ist Werner Schaub. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Bildender Künstler hat die Gruppenausstellung von Heidelberg aus konzipiert, die Künstler ausgesucht und ist selbst mit zwei Arbeiten auf Holz vertreten. Schaub, der sich sonst eher in der Malerei und Grafik zu Hause fühlt, fand im Werkstoff Holz das adäquate Medium aus gegebenem Anlass. Mit Kohle hat er auf Pinienholzbrettern aus dem Baumarkt in naturalistischer Manier Pinien gezeichnet. Realität am Beispiel der Natur wird hier durch die Konfrontation von Palettenware mit dem ursprünglichen Zustand des Baums konfrontiert.

Die Töne, die in der Ausstellung angeschlagen werden, gehen inhaltlich und formal weit auseinander. Da ist Roswitha Pape mit ihrem „Irak-Zyklus“, der in großformatigen Holzschnitten auf Japanpapier kritisch Stellung zur Kriegsberichterstattung à la N-TV bezieht. Die Künstlerin hatte vor dem laufenden Fernseher Farbfotos aufgenommen und diese in einem aufwendigen Verfahren in Schwarz-Weiß-Holzschnitte übersetzt. Drei von insgesamt neun Blättern aus dem Zyklus – alles Handabzüge – sind nun auch in Potsdam zu sehen.

Gleich daneben, und dazu in denkbar größtem Kontrast, befinden sich vier Farbfotos von Siegfried Reißing. Dass es sich bei der Arbeit „Flächenbrand III“ um ein Foto von einem realen Treppenhaus handelt, lässt sich auf den ersten Blick kaum nachvollziehen. Die Kunst des Fotografen Reißing besteht jedoch genau darin, Räumlichkeit in die Fläche und Abstraktion zu überführen. Mit Form, Farbe und Fläche zu arbeiten, so Reißing, genau das ist sein Ding. „Ich mache den Ausschnitt immer in meinem Kopf fertig“, setzt er noch hinzu. Die Wahl des richtigen Raumausschnittes wird zum wesentlichen Fingerzeig, um zu verstehen, wie der Fotograf Realität zwischen konkretem Raumbezug und Gegenstandslosigkeit inszeniert.

An der gegenüberliegenden Wand hat Alexander Ginter einen Wandfries gehängt. In zehn Collagen hat der 1972 geborene Künstler die Jahre 1972 bis 1981 zu einem zeitgeschichtlichen Destillat auf dichtem Raum vereint. Die Twin Towers, Mutter Teresa, H.M.Schleyer, das Brautpaar Prinz Charles und Lady Di – all dies und noch viel mehr, verdichtet sich hier zum Kaleidoskop von zehn Jahren Weltgeschichte, in die der Künstler persönliche Erinnerungsbilder seiner Kindheit hineingestellt hat. Die am Computer generierten Collagen hat Ginter schließlich durch ein spezielles Druckverfahren auf Gips gebracht.

Zwei weitere ästhetisch reizvolle Sichtweisen zum Thema Realität finden sich in den Fotoübermalungen von Peter Borkenhagen und in den gezeigten Beispielen aus der Serie „Spiegelungen“ mit Schwarz-Weiß-Fotografien von Milan Chlumsky.

Auf die sieben Heidelberger Variationen zum Thema „Realität“ wird demnächst ein Feedback aus Potsdam erfolgen. In Kürze starten elf Mitglieder des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler zum Gegenbesuch nach Heidelberg. Dort eröffnet am 4. Juli im Heidelberger Forum für Kunst ihre Gruppenschau unter dem Motto „Irreal“. Die wünschenswerte Zusammenführung von „Real“ und „Irreal“ an einem Ausstellungsort bleibt vermutlich ein Ideal.

Bis zum 19. Juli zu sehen. Die Öffnungszeiten der Produzentengalerie M: Mi-Fr 11-17 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr. Hermann-Elflein-Str. 18 (Luisenforum).

Almut Andreae

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