zum Hauptinhalt
Die Teamfrau. Marita Erxleben im Kreis ihrer Darsteller. Der Choreografin geht es um das Hinterfragen jeder Figur und die Meinung und Ideen aller Mitwirkenden.

© Verein „Spaß am Tanz“/Stefan Gloede

Kultur: Reale Helden

700 Darsteller tanzen in fünf Besetzungen „Die Schwanenprinzessin“ am Hans Otto Theater. Am Freitag ist Premiere.

Stand:

Manche werfen ihr vor, dass sie im Mainstream schwimme. Eine Kritik, mit der Marita Erxleben mittlerweile gut leben kann. Für sie ist es wichtig, dass ihr Ballett auf heutige Sehgewohnheiten zugeht und auch klassische Stoffe im Hier und Heute ankern. Vor allem aber möchte die Potsdamer Choreografin und Regisseurin verstanden werden: von allen Zuschauern. Auch ohne Worte. Sie weiß um die Irritation, wenn kleine und auch große Besucher mitunter in einer Ballett-Vorstellung sitzen und verwundert warten, dass endlich gesprochen wird. Auch deshalb dieses Beharren auf eine klare stringente Inszenierung, die wortlos mitreißt und durchaus auch Raum für verschiedene Interpretationen gibt. Wenn die zierliche und doch so kraftstrotzende Frau über ihre Arbeit erzählt, spürt man das zähe Ringen, das hinter ihren zumeist federleicht auftrumpfenden Arbeiten steckt.

Auch die Erarbeitung ihrer Schwanensee-Adaption „Die Schwanenprinzessin“, die sie nach zwölf Jahren nun mit ihrem Verein „Spaß am Tanz“ am morgigen Samstag erneut auf die Bühne des Hans Otto Theaters bringt, war kein Kinderspiel – obwohl sie es mit 700 zumeist kleinen Darstellern in fünf Besetzungen erarbeitet hat. Die beherzte und zugleich einfühlsame Einbindung ganzer Heerscharen quirliger Mädchen und Jungen ist eine Meisterleistung der Logistik. Doch dieses puzzleartige Verschmelzenlassen der 140 Mitwirkenden, die sich diesmal zu Schildkröten, Pilze, Frösche, Seerosen oder Dalmatiner um die Schwäne formieren – ist ihr natürlich vertraut. Neu ist der eigene gewachsene Anspruch. Der wurde vor allem durch drei Kinderschauspielproduktionen genährt, die ihr das Hans Otto Theater als Regisseurin anvertraute, nachdem sie sich bereits als Choreografin einen Namen gemacht hatte. Nach ihren Erfahrungen bei „Motte & Co“, „Die Schneekönigin“ und „Der Diener und sein Prinz“ schaut sie nun auch ganz anders auf ihre Tanzproduktionen. „Als ich das erste Mal ,Die Schwanenprinzessin’ inszenierte, interessierte mich nur die äußere Form. Heute stelle ich mir Fragen nach der Entwicklung der Personen.“ Warum also umgibt sich der böse Zauberer Rotbart mit den vielen von ihm zu Schwänen verwandelten Mädchen, die er zu seinem Spielzeug macht? Natürlich weil er einsam ist: allein im Wald, nur mit Tochter. Auch er will eine richtige Gefährtin für den Lebensabend haben, und das soll Odette sein, die Prinzessin. Doch die gibt ihm einen Korb. Sie ist vielmehr an den Prinzen interessiert.

In der Schwanensee-Version von Marita Erxleben – die natürlich dem Original in Besetzung und Länge nicht das Wasser reichen kann und will – ist dieser Prinz ein Rockstar. Einer, der von Groupies umgeben ist: diese kreischende Spezies junger Mädchen, die wie benebelt ihrem Idol zu Füßen liegen. Marita Erxleben will sowohl dieses Verhalten hinterfragen wie auch den Glimmer, dem viele junge Leute nachrennen. Natürlich wollen auch ihre Eleven irgendwann ganz oben auf der Bühne stehen. Doch die, die heute die Schwäne tanzen, haben auch mal als Baum oder Pilz angefangen und nur die lange kontinuierliche Arbeit brachte sie ganz vorn an die Bühnenrampe. Ihre Darsteller, Profitänzer und Kinder, ringen mit ihr gemeinsam um jede Szene, um jedes Detail, selbst bei den Kostümen malen sie ihre Wunschvorstellungen mit auf. Sie sollen, wie später auch die Zuschauer, ihre realen Helden finden.

So wie Odile, die Schwanenprinzessin, die ihre Pubertät durchläuft und von einem naiven Mädchen zu einer jungen Frau reift, die lernt, mit Gefahren umzugehen und begreift, dass man auch verzeihen können muss. Prinz, der Superstar, dem die Mädchen zujubeln, erkennt, dass er eigentlich die echte Liebe sucht und nicht nur das oberflächliche Begehren. „So groß wird vielleicht keiner denken, der eine der 15 Vorstellungen besucht. Aber es fließt mit ein. Mir ist es wichtig, das auszudrücken, was ich fühle.“ „Die Schwanenprinzessin“ also eine Herz-Schmerz-Geschichte? Marita Erxleben bekennt sich zu Gefühlen und in der hochemotionalen Musik von Tschaikowski hat sie den besten Verbündeten.

Und das Ende? „Wir haben eine Lösung gefunden, die man unterschiedlich interpretieren kann. Einen sterbenden Schwan wird es nicht geben, aber auch keine Hochzeit“, sagt sie.

Premiere am morgigen Samstag, dem 9. Juni um 14 Uhr, Neues Theater, Schiffbauergasse, Karten unter Tel. (0331) 98 11 8

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })