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Liszt entdecken und sich begeistern. Die Pianistin Hideyo Harada.

©  Uwe Arens

Kultur: „Regelrecht außerirdische Klänge“

Erst in Moskau begeisterte sich Hideyo Hadara für Liszt – Morgen ist sie im Schlosstheater zu erleben

Stand:

Frau Harada, „Wenn ihre Stimm’ im Kuss verhalt“ ist der literarisch-musikalische Abend am morgigen Freitag im Schlosstheater überschrieben. Zusammen mit der Schauspielerin Corinna Harfouch widmen Sie sich hier Franz Liszt, der ja eher ein stiefmütterliches Dasein in den Konzertsälen führt. Aber in diesem Jahr jährte sich sein Geburtstag zum 200. Mal. Der Grund auch für Sie, einen reinen Liszt-Abend zu gestalten?

Liszt wurde und wird immer noch sehr missverstanden. Aber ich beschäftige mich schon länger mit ihm. Mein russischer Professor Viktor Merzhanov hat Anfang der 90er Jahre die Liszt-Faszination bei mir geweckt. Wie er Liszt spielte, das war für mich der Schlüssel. Merzhanov hat zu uns Schülern immer gesagt, dass Verständnis für die Musik von Liszt nicht allein durch Beschreibungen oder durch Noten zu erlangen ist, sondern vor allem über die Ohren.

Verstehen durch hören?

Ja, das ist die traditionelle russische Schule. Und für mich war das ein ganz neues Element bei Liszt. In Japan ist das Bild von Franz Liszt vor allem vom Virtuosen seiner Kompositionen geprägt.

Seine pianistische Technik, seine zahlreichen Neuerungen für das Klavierspiel stehen ja auch oft genug noch heute im Vordergrund, wenn es um die Bedeutung seines Schaffens geht.

Und erst Merzhanov hat mir gezeigt, was für unglaublich zauberhafte und regelrecht außerirdische Klänge in der Musik von Liszt zu entdecken sind. Hier habe ich ein ganz anderes Bild von Franz Liszt bekommen.

Ein Lehrer, der Ihnen spielend gezeigt hat, was Liszt sein kann?

Merzhanov hat in jeder Stunde selbst gespielt und dadurch diese Faszination nur noch verstärkt. So habe ich die Phrasierungen, Klangfarben und Harmonie in einem kennenlernen können. Das war wirklich ein Glück.

Fester Programmpunkt in Ihrer Konzerttätigkeit sind die musikalisch-literarischen Abende, mit denen Sie regelmäßig in Potsdam zu erleben sind. Worin liegt für Sie der Reiz, wenn nicht allein die Musik spricht, sondern auch die Literatur, Tagebuchaufzeichnungen oder persönliche Briefe?

Ich habe mich schon als Kind für Oper, Ballett und Theater interessiert. Während meines Studiums in Moskau wurde immer wieder betont, wie wichtig Dramaturgie auch für die Musik ist. Und nur wer sich mit Dramaturgie beschäftigt, kann diese in der Musik umsetzen. Ich habe dann sehr intensiv den Schauspieler und Theaterreformer Konstantin Sergejewitsch Stanislawski gelesen, der unter anderem gesagt hat, dass man als Künstler, Schauspieler selbst Erlebtes mit einbringen muss, um etwas glaubwürdig darzustellen, auszudrücken. Das habe ich dann auch versucht, in meinem Spiel umzusetzen. Aber erst seit ich diese musikalisch-literarischen Programme spiele, hat sich meine Musikalität weiterentwickelt.

Es gibt Musiker, denen reichen allein die Noten, die wollen gar nicht so viel über das Leben des jeweiligen Komponisten wissen. Bei Ihnen scheint das ganz anders zu sein.

Ja, ich habe schon immer gern Biografien über Musiker gelesen. Mit 15 beispielsweise habe ich angefangen, mich mit dem Leben von Chopin zu beschäftigen. Und mittlerweile gehört es zu meinem Arbeitsprozess, wenn ich ein neues Stück ins Programm nehme, dass ich mich auch atmosphärisch durch das Lesen darauf einstimme. Jetzt habe ich es durch die literarisch-musikalischen Programme noch besser, denn jetzt übernehmen das für mich die Schauspieler.

Und wie geht es dabei den Schauspielern?

Das ist ein Geben und Nehmen. Manchmal gelingt es mir, durch mein Spiel die Schauspieler auf ihren Teil einzustimmen. Und es ist auch schon vorgekommen, dass Ulrich Noethen mehr von dem Text gelesen hat als eigentlich geplant. Auf der Bühne kommt da immer mehr das Improvisatorische und Spontane durch.

Sie gelten als eine Musikerin, die sich streng an den Notentext hält. Wo bleibt da Raum für das Improvisatorische?

Interessanterweise haben Schüler von Chopin überliefert, dass er nie zweimal das Gleiche gespielt, niemals dasselbe interpretiert hat. Forte oder piano, crescendo oder diminuendo, das heißt ja nicht einfach nur lauter oder leiser. Das hat eine Bedeutung. Mein Lehrer Merzhanov hat immer wieder gesagt, nicht wie, sondern was man spielen will, muss man zuerst wissen.

Dieses Was als die persönliche Note, die eigene Interpretation?

Genau, und da gibt es viele Möglichkeiten, wie man das in der Musik ausdrücken möchte. Um bei Chopin zu bleiben, mein Professor hat immer gesagt: Was ist Chopin? Alles ist Chopin! Aber dann muss ich ganz genau wissen, was ich da auswähle, was ich spielen möchte. Und dafür müsse man einen guten Geschmack entwickeln.

Und was haben Sie für das Liszt-Programm ausgewählt?

Am Anfang stehen Consolation Nr. 2 und Nr. 3, dann „Un Sospiro“, die Étude d’exécution transcendante und Valse Impromptu, also aus der Zeit, als Liszt noch mit Marie d’Agoult glücklich war.

Die verheiratete Gräfin d’Agoult, mit der der sechs Jahre jüngere Liszt eine zehnjährige Beziehung führte, die nicht nur wegen des Standesunterschiedes als Skandal betrachtet wurde.

Der zweite Teil des Abends ist dann den immer schwieriger werdenden Lebensumständen gewidmet. Da spiele ich die Petrarca-Sonate und die Ungarische Rhapsodie Nr. 17. An den Schluss habe ich die Vallée d’Obermann gestellt.

Ein Stück, das sich auf den gleichnamigen Briefroman des französischen Schriftstellers Étienne Pivert de Senancour bezieht. Warum ausgerechnet das als Abschluss?

Sowohl Liszt als auch Marie d’Agoult haben diesen Roman sehr gemocht. Und ich glaube, so lässt sich auch zeigen, dass ihre Beziehung nicht einfach nur eine Affäre war. Die beiden waren glücklich miteinander. Liszt brauchte Marie d’Agoult und umgekehrt. An den Konventionen ihrer Zeit ist ihre Beziehung gescheitert. Aber möglicherweise ist uns dadurch so viele gute Musik überliefert worden. Darum endet unser Liszt-Abend auch mit der Trennung der beiden, nicht mit ihrem Tod. Denn sie mussten ja ohne den anderen weiterleben.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Am morgigen Freitag um 19 Uhr im Schlosstheater im Neuen Palais im Rahmen der Potsdamer Hofkonzerte. Restkarten unter Tel.: (0331) 24 56 09

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