Aus Hamburg kam die Organistin Maria Jürgensen nach Potsdam. Die freischaffende Musikerin leitet mehrere Chöre und konnte im vergangenen Jahr mit ihrem Norddeutschen Kammerchor für die CD-Einspielung mit Motetten von Melchior Franck einen „Echo“-Klassik-Preis nach Hamburg holen. Jürgensen ist bekannt für ihre Vielseitigkeit – das zeigte sie auch beim diesjährigen Orgelsommer, als sie in der Erlöserkirche am Mittwoch ein klassisch-romantisches Programm spielte: Zum Auftakt Präludium und Fuge c-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy. Dabei bevorzugte sie einen dunkel gefärbten und kernigen Klang – was das Werk, das das große Vorbild Johann Sebastian Bach nicht verleugnet, sehr ernst und emotional bewegend machte.
Das besondere Verdienst des Orgelsommers ist, dass sein künstlerischer Leiter, Tobias Scheetz, die Gastorganisten bat, zum 100. Todestag Max Regers mindestens eine seiner Kompositionen in ihr Programm aufzunehmen. Jürgensen, die eine große Affinität zu Reger besitzt, stellte Toccata, Fuge, Kanon, Melodia und Basso Ostinato, die unter dem Opus 129 vereint sind, vor. Das war eine Überraschung. Die meisten Konzertbesucher erwarteten, wie bei Reger so oft, Klangmassen von eruptiver Gewalt. Doch davon war kaum etwas zu hören. Zart und lyrisch, fast tänzerisch, mit warm schwebenden Tönen interpretierte sie die eher kleinen Stücke. Nur manchmal wollte sich ein expressiver Klang aufschwingen – doch die kammermusikalische Prägung gewann die Oberhand. Jürgensen hat das Reger’sche Opus nicht nur intensiv musiziert, sondern ihm auch feinsinnige Farben verliehen. Anschließend wechselte sie zu Samuel Wesley, der sich um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert einen Namen als Organist und Komponist in England gemacht hat. Seiner an die Klassik gebundene Voluntary in F-Dur verlieh sie organischen Klang und geschmeidige Konturen. Sie gaukelte nicht mehr vor, als in Wesleys liebevoller Musik steckt, schöpfte aber die vorhandenen Möglichkeiten bestens aus. Dann kam ein weiterer englischer Komponist zu Wort: William Albright, der 1998 starb. Doch seine Jig for the feet wirkte wie ein schnell dahinhuschendes Intermezzo, einen rechten Eindruck vom Stück bekam man kaum. Das Konzert wirkte, als ob Jürgensen ihre ganze Kraft auf den Abschluss – die gigantische Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542 – legen wollte. Gut artikulierend, kraftvoll und majestätisch spielte sie es, doch in einem fast schwindelerregend rasantem Tempo. Natürlich bewunderte man dabei die Virtuosität, hatte aber den Eindruck, dass sie so schnell wie möglich das Konzert beenden möchte. Es wurde auch eines der kürzesten des Orgelsommers. Klaus Büstrin
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