Kultur: Reise nach Osten – und zurück Lesung mit Terézia Mora und Clemens Meyer
Zwei große Erzähler kommen diese Woche nach Potsdam. Clemens Meyer war dieses Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert, Terézia Mora hat ihn bekommen.
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Zwei große Erzähler kommen diese Woche nach Potsdam. Clemens Meyer war dieses Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert, Terézia Mora hat ihn bekommen. Sie liest am heutigen Dienstag in der Reithalle aus ihrem Roman „Das Ungeheuer“, dem düsteren Roadtrip eines Witwers. Darius Kopp so sein Name. Mora-Leser erinnern sich vielleicht an ihn. Er tauchte bereits in ihrem 2009er-Werk „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ auf, ein dritter Roman mit ihm soll folgen. Jetzt ist Kopps Frau Flora tot. Selbstmord. Sein Job ist auch weg und Kopp macht sich auf die Suche, geistig und physisch. Er reist in Floras Heimat, nach Ungarn – die nebenbei auch die Heimat der Autorin ist – aber er will noch näher an sie heran, jetzt, wo es zu spät ist. Kopp beginnt also auf der Reise, Floras geheimes Tagebuch zu lesen. Eigentlich sind es also zwei Texte, zwei Geschichten von zwei Verlorenen, die Mora hier miteinander verwebt. Mora macht sie zu einer Geschichte eines Paares, das sich verfehlt hat, solange die Zeit dazu war, sich zu treffen. Die 1971 in Sopron geborene Schriftstellerin kam Anfang der 90er-Jahre nach Berlin, studierte Hungarologie und Theaterwissenschaften – und schreibt seitdem ihre Romane und Drehbücher in deutscher Sprache. In „Das Ungeheuer“ geht es nicht nur um die Suche nach einer verlorenen Liebe sondern auch nach den Wurzeln im Osten – von Ungarn aus fährt Kopp weiter nach Georgien, Albanien, Armenien und Griechenland.
Andersherum geht die Reise bei Clemens Meyer, der am morgigen Mittwoch im Waschhaus liest. Bei ihm sind es die Frauen, die sich auf den Weg machen, von Osteuropa aus gen Westen, genauer: nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und nach Brandenburg. Dort, in den Bordellen, den Saunaklubs und Eroscentern nämlich, spielt Meyers vielschichtiger Roman „Im Stein“, bevölkert von Nutten und Zuhältern, Minderjährigen und Abgebrühten, Gaunern und Großherzigen. Und während Terézia Mora in „Das Ungeheuer“ eine seltsam zeitversetzte Art von Dialog gewählt hat, tritt bei Clemens Meyer gleich ein ganzer Chor von Protagonisten auf. Desperados sind sie allesamt, viele aber zugleich auch Geschäftsleute. Arnold Kraushaar zum Beispiel ist so einer, Pimp im Ledermantel, einer, der in Immobilien macht – und in Mädchen. Sie sind überhaupt Meyers uneingeschränkte Hauptpersonen. Manche von ihnen sind selbstbewusst, selbstbestimmt – andere noch Kinder, die Comic-Hefte lesen, während sie auf ihre Freier warten. Das ganze System Prostitution mit seinen Abgründen, Tragödien aber auch mit seinem Charme wird hier plastisch. Bei Clemens Meyer kommen all diejenigen zu Wort, auf die in der aktuellen Debatte um ein Prostitutionsverbot kaum einer hört: Die Betroffenen – auch wenn Meyer diese Aktualität gar nicht ahnen und planen konnte. Ariane Lemme
Terézia Mora am heutigen Dienstag, 20.30 Uhr, Reithalle, Eintritt: 12, ermäßigt 10 Euro; Clemens Meyer am morgigen Mittwoch, 20 Uhr, Waschhaus, Eintritt: 7 Euro
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