Kultur: Reisevirus
Ein filmischer Reiseführer nach Neuseeland im Thalia
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„Wer war schon einmal in Neuseeland?“, fragte die Filmemacherin Silke Schranz am Montag im gut besuchten großen Saal des Thalia Kinos. Rund die Hälfte der Zuschauer reckt eine Hand hoch. Kaum ein anderes Land erfreut sich hierzulande derzeit eines so großen Interesses. Davon zeugt auch der Film „Neuseeland auf eigene Faust“, den Silke Schranz und ihr Reisegefährte Christian Wüstenberg gedreht haben. Seit November vergangenen Jahres reisen sie damit durch Deutschland und finden meistens volle Säle vor. Eine Erfolgsgeschichte, genauso auf „eigene Faust“ entstanden wie ihr Film ohne Auftrag und Produzenten in zwei Jahren Heimarbeit. Auch im Thalia agieren sie als Filmvorführer in eigener Sache.
Doch vor der Belohnung liegt die Mühe, sprich ein langer Flug von mehr als 24 Stunden reine Flugzeit, die sich so anfühlt wie „100 Stunden in der Konservenbüchse“, erzählt Silke Schranz. Von Mitteleuropa betrachtet liegt Neuseeland nun einmal genau auf der anderen Seite der Erdkugel. Wenn hierzulande eisiger Winter herrscht, glühen dort schon mal die Strände. Auf den Straßen wird, wie im einstigen Mutterland Großbritannien, links gefahren. Das hinderte die Filmemacher nicht daran, für wenig Geld ein 20 Jahre altes Auto zu kaufen. Bei einem Aufenthalt von drei Monaten war das allemal die günstigste Variante. Daneben gibt der Reisebericht viele Tipps für einfache Backpacker-Unterkünfte.
Die in zwei 50-minütige Filme komprimierte Fahrt durch Nord- und Südinsel folgt klassischen Touristenrouten. Schöne Aufnahmen, die mit selbst produzierter Musik unterlegt sind, geben einen Eindruck von den großartigen Landschaften und der faszinierenden Natur auf diesem fernen Fleck. Viel Wasser gibt es zu sehen, etwa als See, Fluss, Meer, Wasserfall, Eis und Schnee, viele Strände von gelb bis grau und schwarz, feinsandig bis kieselig, viel Flora und etwas Fauna, vor allem aus der Meereswelt. Auf der Nordinsel führt die Route zu bekannten Zielen wie Ninety-Mile-Beach, Mount Taranaki oder zum vulkanischen Gebiet um Rotorua, wo die Erde brodelt und das Wasser in grellen Neonfarben leuchtet. Bilder von den bedeutenderen Städten Auckland und Wellington, Reiseerlebnisse und Ausflüge lockern den Bericht auf. Auch merkwürdige Sportarten wie „zorbing“ – einzeln oder zu zweit in einem wassergefüllten Riesenball herabrollen – und „sand-surfing“ – mit Surfbrettern die Dünen herunterrasen - kommen effektvoll ins Bild.
Schon allein die Meeresfahrt auf dem nostalgischen Schoner R. Tucker Thompson, Nachbau eines historischen Segelschiffs, vermag Reiselust zu wecken. Die touristische Perspektive wird durchweg aufrechterhalten. So sind im Südinsel-Film unter anderem die nahezu karibischen Strände im Abel Tasman-Park, die Pfannkuchenfelsen, eine beeindruckende Besteigung des Franz-Josef-Gletscher und der atemberaubende Milford-Sound zu sehen. Den Höhepunkt bildet ein weiteres „must-do“ aller Reiseführer, das Wal-Beobachten an der Ostküste vor Kaikoura. Dieser Film erhebt keine künstlerischen Ansprüche, er will auch kein Bildungsfilm fürs Kulturprogramm sein, wenn auch von beidem ein Quentchen darin steckt, doch zu wenig, um solche Wünsche zu erfüllen. Gewöhnungsbedürftig sind manche Bemerkungen des Erzählers, die gelegentlich so wirken, als wollte er halt seinen Senf dazugeben. Das zeigt die Intention der Filmemacher, die den Film so machen wollten, als ob man seinen besten Freunden etwas von der Reise erzählt. Vorsicht ist geboten: das Reisevirus kommt bei „Neuseeland auf eigene Faust“ allemal auf. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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