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Kultur: Retour in die Zukunft

Potsdams Stadtgeschichte von A bis Z

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Lexika sind immer gut, egal zu welchem Thema. Man schlägt nach und schon gehört man zu den sprichwörtlich wohl informierten Kreisen. So ähnlich funktioniert das auch mit Potsdams jüngster Neuanschaffung, einem „Stadtlexikon“ in ganz eigener Sache, wie es Dutzende Orte in Deutschland schon haben. Über die Modalitäten seines Zustandekommens wurde bereits berichtet, HBPG und Potsdam-Museum als Herausgeber waren ja heilfroh, dieses gut 400-seitige Monument nach langen Jahren des Vorbereitens endlich fertiggestellt zu haben.

Trotzdem ist es zu früh, von einem Standard-Werk zu sprechen, dazu sind die einleitenden Aufsätze zu Naturraum und früher Urgeschichte einfach „nicht lexikalisch“ genug. Auch das finale Personenregister scheint, bei allem Respekt vor der Leistung, mehr Entwurf als Vollendung zu sein. Aber das betrifft eher die marginale Struktur dieses Hardcover-Buches. Wichtiger ist natürlich, was drin steht, und wie. Das wäre: Alles, was Potsdam angeht. Fast alles. Natürlich waren Autoren wie Herausgebern in Sachen Organisation, Finanzen und Kapazität ziemliche Grenzen gesetzt, fachliche hoffentlich nicht. Trotzdem erstaunt, was dabei entstand. Vom unerklärlichen Fehlen wenigstens einer historischen Stadtkarte abgesehen, sind etwa hundert Seiten für die Vor- und Nachbereitung des Buches reserviert, sie stehen dem Stichwort-Katalog also nicht zur Verfügung. Vierzehn füllen schon die „Ausgewählte Literatur“ im Kleindruck. Wer braucht das?

Das „Lexikon“ selbst beginnt erst auf der Seite zweiundachtzig mit den vakanten „Acht Ecken“ an der heutigen Friedrich-Ebert-Straße. Auch sie müssen unbedingt wieder aufgebaut werden, sonst wäre ja das moderne Bild vom einstigen Potsdam nicht komplett – der „schönste Vorort von Berlin“ (Jean Paul) orientiert sich ja seit zwanzig Jahren nur noch rückwärtsgewandt! Die gut siebenhundert Stichworte selbst sind aus mehr als acht Ecken herbeigeholt. Bildungswesen und Stadtverwaltung, Handel und Industrie, Gerichtsbarkeit und Hospitäler, Stiftungen und Kirchen, Plätze und Straßen, markante Villen und adlige Palais, Gärten und Parks. Historische Personen wurden nur berücksichtigt, sofern sie hier was zu sagen hatten, Könige und Kaiser etwa. Auch der örtliche Journalismus ist vertreten, er reicht von der „Potsdammischen Quintessenz“ um 1740 bis zu den PNN.

Mit dem lexikalischen Teil kann gut umgehen, wer draußen Gesehenes nachschlagen oder Nachgeschlagenes draußen sehen möchte. Die Diktion der mit Treu und Redlichkeit geschriebenen Kurztexte ist fast auffallend versachlicht, ein übertriebener Aktualitätseifer rückt Potsdams Gewesenheit bis an den Sommer 2010 heran. Kommende Auflagen werden die XXL-Artikel zu Stadtverordnetenversammlung und Straßennamen, aber auch zum neuen Orts-Schloss hoffentlich gekürzt wiedergeben. Vielleicht überdenkt man auch den historischen Bildteil inmitten, er wirkt etwas haltlos.

Der Rest ist gut lesbar und informativ. Letztendlich spürt man das vorauseilende Bemühen der mehr als fünfzig Autoren, den eingeborenen wie den fremden Leser in eine Zukunft mitzunehmen, welche derzeit tatkräftig rekonstruiert wird. Insofern ist das Buch mehr Gegenwart als Geschichte. An einen lexikalischen Historienspiegel in den heutigen Grenzen der Stadt war ja genauso wenig gedacht wie an einen biographisch orientierten Entwurf. Eher an ein Kontinuum, darin das Gewünschte groß, das Unerwünschte etwas kleiner notiert worden ist - sonst ginge es ja retour nicht voran. Gerold Paul

HBPG und Potsdam Museum (Hg.): Potsdam Lexikon. Stadtgeschichte von A bis Z Verlag für Berlin-Brandenburg 2010 24.90 Euro

Gerold Paul

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