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Kultur: Rex und hopp

Fridericus Rex und der Müller von Sanssouci vom RBB feierten Einstand im Kabarett Obelisk

Stand:

Irgendwann kehrt sich im Leben alles mal um, aus Schwarz wird Weiß, aus Vorwärts Rückwärts, aus Trübsal Freude. So auch bei Fridericus Rex und seinem Müller von Sanssouci. Seit 1995 sind ihre Stimmen einmal wöchentlich beim RBB zu hören, zumal Autor Andreas Flügge ständig für dialogischen Nachschub sorgt. Doch was sich anfangs als „immerwährendes preußisches Kalendarium“ oder als Randbemerkungen zum Preußenjahr verstand, hat sich nun in die Selbständigkeit entlassen: Nun feierten Andreas Flügge (Müller Grävenitz), sein König (Frank Rawel) und dessen Kammerherr Fredersdorff (Andreas Schulte) im Obelisk ihre viel umjubelte erste Kabarett-Premiere vor ausverkauftem Hause.

„Rex und Hopp" ist wohl das Beste seines Genres weit und breit, denn wer einen echten und dazu noch aufgeklärten König auf seiner Seite hat, der sich in der aktuellen Politik genauso auskennt wie bei Klimaerwärmung und seinen Home-Pagen, der darf Herrn Schönbohm schon mal kritisch kritisieren, oder den Jauch, damit dieser Potsdam endlich auch das Stadtschloss „vorstreckt“. Fridericus aber befindet sich in monetären Nöten, sein Müller hat ihm im sechsten Jahre den Krieg versaut, und als er heimkehrt, darf er nicht mal in sein Sanssouci herein, das Liegenschaftsamt hat dem Müller den Zuschlag für ein paar Quadratmeter Erde dazwischen gegeben. Das Spiel zwischen dem rotzfrechen „Eulenspiegel“ und seinem knorrigen König geht nun darum, wie der Alte Fritz wieder in sein Eigentum kommt, er kann ja nicht mal die fünf Euro Eintritt bezahlen. Er versucht es mit Argumenten, mit abenteuerlichen Verkleidungen wie Ablass-Geklingel oder Pappnase, doch vergebens, immer hat der Müller die seine vorn. Viel Gelegenheit, in einer erlesenen Textur die Balance zwischen Hiesigem und der Welt herzustellen. Andreas Schulte am Keyboard liefert als dritter Mann ein genauso freches wie aktuelles Liedprogramm dazu, so dass „Rex und Hopp“ wirklich „erste Sahne“ ist.

Nichts bleibt außen vor: Innere Sicherheit und neue Ausweise, die deutsche Geheimwaffe Karneval wird als „Massenvernichtungsmittel“ gegen Bushs Kriegskunst ausgespielt, die Merkel gibt den „Dieb von Bagdad“ – wenn man ihre Augenringe nähme, „kommen die Olympischen Spiele von selbst nach Berlin“. Fritz setzt sich mit elegantestem Wortwitz für den Ausbau des „Großgrillgeländes Schönefeld“ ein, schilt Papst und Politik, um endlich den (Aus)Weg für sich zu finden: Er überlässt sein im Sommerschloss-Verkauf erworbenes Sanssouci (samt Asbest-Gutachten) dem Grävenitz, um sich auf einen Luxusdampfer zurückzuziehen, dies sei billiger, als in einer Senioren-Residenz zu hausen. Und macht sich mit „(R)ex und Hopp!“ aus dem Staube.

Nun ist das Radio nicht die Bühne. Regisseur André Nicke vom Stadttheater „Cöpenick“ hat besonderen Wert auf den Wortwitz gelegt, auf die Verdreher, Kalauer. Die listigen Versuche des Alten, in sein Schloss zu kommen, sind szenisch noch ausbaufähig. Dabei ist der Große Dreispitz freundlicher, sein Müller etwas nuscheliger, geworden. Es gibt kaum noch Parbleues oder Zapperlots, die einstigen Kombattanden geben sich eher die Stichworte. Summa: Vom Rundfunk auf die Bühne, von der Preußen-Parodie zum feurigen Kabarett, vom Gestern ins Heute – es hat sich wirklich alles umgekehrt, doch wie brillant! Gerold Paul

Nächste Vorstellung heute um 19.30 Uhr im Obelisk.

Gerold Paul

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