Kultur: Ritterschlag der Fantasie
„Don Quijote“ kämpft im Q-Hof des Poetenpacks gegen Windmühlen, die zu Riesen werden
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Sie sind Klo und Schatztruhe, Aussichtsturm und Sarg. Selbst Pferd und Esel. Die 20 grauen Pappkartons verwandeln sich an diesem Abend in ein wahres Wunderwerk der Fantasie. Nur so können sie es mit Don Quijote aufnehmen, dem feinsinnig Edlen von La Mancha, der mit seiner Einbildungskraft die ganze Welt auf den Kopf stellt und sich traumwandelnd sicher in ihr bewegt. Das Bühnenbild von Janet Kirsten liefert dem irrenden Ritter genau den Freiraum, den er für seine überbordenden Ideen benötigt. Und dem Zuschauer die Magie, die seine eigene Fantasie auf dieser Reise ins Abenteuer beflügelt.
Die Inszenierung des Poetenpacks im Q-Hof, die am Sonntag ihre Premiere erlebte, betört durch die Zwiesprache von kernig-bäuerlicher Erdung und kindlich-naiver Zerbrechlichkeit. Vor dem Stallgebäude aus dunklem, verwittertem Backstein ist ein riesiger weißer Fächer aufgeschlagen: in zarter Transparenz mit dem Licht des Mondes kokettierend. Vor ihm lassen die Regisseure Benjamin Kernen und Andreas Hueck den Ritter seine imaginären Schlachten schlagen. Schafe verwandelt er im Geiste zu einem kriegslüsternen Heer, Huren mutieren zu Edelfräuleins, Windmühlen wachsen zu mächtigen Riesen.
Mit eingefallenen Wangen, grauem Borstenhaar und hervorstechenden Augen des Wahns passt Schauspieler Michael Schäfer bestens in die Rolle des „Ritters von trauriger Gestalt“, der er auch innerlich groteske Züge einverleibt. Nach dem übermäßigen Konsum heldenhafter Romane beschließt der Edelmann, sich eine Ritterrüstung anzulegen und mit klangvollem Namen die Welt zu retten. Es gibt für ihn kein größeres Vergnügen, als über den Feind zu triumphieren. Und der lauert auf Schritt und Tritt. Als Vernichter aller Ungebühr kämpft Don Quijote für die Rechte der Geknebelten und Unterdrückten, selbst wenn sein Auge Feinde sieht, wo keine sind.
Doch die Aneinanderreihung seiner Taten sind auch bald ermüdend, zu vorhersehbar ist das Ergebnis. Da kann auch die auf Wortwitz, muntere Spielideen und Poesie setzende Inszenierung wenig ausrichten. Der Dramatisierung des jahrhundertealten Stoffes nach dem tragikomischen Episodenspiel von Miguel de Cervantes hätten einige Straffungen und der Aufführung ein größeres Tempo gut getan.
Zur Pause ist der Zuschauer bereits abenteuermüde und würde den Helden am liebsten alleine weiter ziehen lassen. Doch da stehen noch weitere große Taten an, alles zum Ruhme der angebeteten Dulcinea: eine Fata Morgana, für die der wagemutige Alleinkämpfer nach zerschlagenen Köpfen und abgehauenen Ohren nun auch das Blut spritzen lässt. Allerdings sind nach seiner Schlacht die Rotweinschläuche zermalmt und die edle Rebflüssigkeit das wahre Opfer.
Das vor allem anfangs statuarisch wirkende Spiel, das mehr deklamiert als dialogisiert, bekommt durch den Einzug von Sancho Pansa, dem zum Knappen erhobenen Stallmeister, etwas mehr an Fahrt. Witzig zu sehen, wie er seinem Esel aus Pappmaché die Sporen gibt und der dicke Bauch beim Ritt gemütlich schwabbelt. Stefan Peetz haucht seiner Figur mit trockenem Humor eine gehörige Portion Trotteligkeit und Gutmütigkeit ein, die sich trefflich als getreuer Gefährte von Größenwahn eignet.
Zerschlagen, verschlagen, geschlagen – zwischen diesen Pfaden bewegen sich die Kreuzwegabenteuer, die durch Astrid Kohlhoff, Katharina Schraml, Ralf Bockholdt und Benedikt Florian Schörnig in einem bunten Figuren-Potpourri bestens flankiert werden. Sie liefern sommerlich leichte Kost, mal burlesk, mal etwas klamottig: ein unterhaltsames Open-Air-Spektakel, das vor allem aus dem Zauber des Bühnenbilds in dem lauschigen Innenhof seine Kraft bezieht. Kein Wunder, wenn Don Quijote in dem abgewirtschafteten Gemäuer plötzlich ein traumschönes Castell erblickt.
Zu sehen am 21., 22., 23., und 24. August, jeweils 20 Uhr, im Q-Hof, Lennéstraße 37.
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