Kultur: Robin der kleine Held
Das Klima-Stück „Der Junge auf dem Baum“ feierte Premiere am Hans Otto Theater
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„Mein Freund, der Baum, ist tot, er starb im frühen Morgenrot.“ So klagte die Sängerin Alexandra elegisch in den siebziger Jahren in einem Song, der sehr bekannt wurde und manchen sogar zu Tränen rührte. Der Titelheld Robin in dem Theaterstück „Der Junge auf dem Baum“ würde es zum Tod des Baumes erst gar nicht kommen lassen. Er ist kämpferisch, aufmüpfig. Außer seiner Freundin Sam, die er als Komplizin gewinnen möchte, lässt er niemanden auf den Baum. Nicht seine aufgetakelte Schwester Janine und schon gar nicht seinen Vater. Der will nämlich den Baum fällen. An dessen Stelle soll ein Parkplatz für den Carport entstehen. Doch Robin hält Wacht. Niemand soll sich an den Baum vergreifen. So hat har er sich auf ihm, zunächst bei Tag, mit „Sack und Pack“ eingerichtet. Und ein Plakat mit der Aufschrift „Fang hier an“ verkündet, was Sache ist.
Die kanadische Schriftstellerin Michele Riml schrieb 2007 das Klima-Stück „Der Junge auf dem Baum“ für Kinder ab neun Jahren. Nach der deutschen Erstaufführung im Stadttheater Aalen im vergangenen Jahr hat das Hans Otto Theater nun das Stück an sein Haus geholt. Dieser Tage feierte es in der Reithalle Premiere. Marita Erxleben führte Regie, Matthias Müller entwarf das Bühnenbild und die Kostüme. Die Bühne wird von einem malerisch großen Baumhaus eingenommen. Auf und unter ihm spielt sich das Drama ab. Robin erklärt seiner Freundin Sam, seinem Vater und allen, die ihn besuchen, mit großen Tönen den Klimaschutz. Viel Fachwissen aus Büchern hat er sich dafür angeeignet, eine kleine Wetterstation zusammengebastelt. Ja, auf der hohen Warte des Baumes fühlt er sich als Held. Seinem Vorbild David Suzuki, einem kanadischen Umweltaktivisten, möchte er unbedingt nacheifern. Altklug würde man den Jungen auf dem Baum nennen. Und etwas kopflastig kommt das Ganze daher.
Marita Erxleben und Matthias Müller fielen zwar optisch sehr viele sympathische Szenen ein, die Atmosphäre verbreiten, vor allem die, die in der grusligen Nacht spielen, doch das Stück hat einfach im ersten Teil seine Längen. Die Klima-Aufklärung geschieht auf fast penetrante Weise. Der erhobene Finger kommt allzu stark zum Vorschein.
Doch immer dann, wenn Robins Vater oder Schwester Janine ihre Hand am Baum haben, gewinnt das Geschehen an Tempo. León Schröter, der das ganze Stück über die Bühne beherrscht, spielt einen liebenswerten Robin, der gegenüber seinem Vater aufbegehrt, sich auch einsam fühlt und ängstlich ist, vor allem während der nächtlichen Baumwache. Peter Wagner ist der Vater, ein vom Berufsleben Gestresster – das Handy ständig am Ohr soll dafür Beleg sein – , der den Baum unter allen Umständen vom Grundstück haben will, auch mal mit einem strengen Wort erziehen möchte, drohend die Kettensäge aufkreischen lässt, spielt das Ganze sehr prägnant. Doch es kommt nicht zum Baum-Mord. Seine Frau gab wohl eine andere Marschrichtung vor. Der Vater findet nun Verständnis für den Sohn, erinnert sich an die eigene Jugend, in der er sich in einem Baumschützercamp engagierte. Die warmherzige Vater-Sohn-Szene auf dem nächtlichen Baum gehört zu den schönsten Momenten der Inszenierung. Sie wird mit wunderbar leisen und poetischen Tönen erzählt.
Esther Agricola verkörpert gleich drei Rollen: die treue Freundin Sam, die überbesorgte Mutter sowie die überkandidelte Schwester Janine. Obwohl es bei ihren vielen Abgängen, da sie sich in Sekundenschnelle „umdekorieren“ muss, harte Schnitte gibt, weiß Esther Agricola den verschiedenen Charakteren entsprechende Farben zu verleihen. Das macht Spaß beim Zusehen. Am Ende kommt die Kettensäge nicht zum Einsatz. Der Junge verlässt den Baum, denn der zunächst unheimliche Nachbar Chris Gallgher, ein Rocksänger, erklärt Robin, dass eigentlich ein Adler darauf wartet, auf dem Baum einen Horst einzurichten.
Ein kritisches und aktuelles Thema wurde im Hans Otto Theater aufgegriffen, das von den jungen Zuschauern mit reger Aufmerksamkeit verfolgt wurde. Aber auch Erwachsene könnte das Theaterstück interessieren und nachdenklich machen. Geht es doch um Gerechtigkeit der Menschen mit der Natur und der Toleranz untereinander. Ein stets aktuelles Thema. Klaus Büstrin
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