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Kultur: Rollende Steine im Holländerviertel

Bilder von Ron Wood und Sebastian Krüger in der Galerie von Albert Baake

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Sie sind Legenden – und dienen als Symbol für echte, kernige Rockstars: die Rolling Stones. Am gestrigen Dienstag gab die Band ein Konzert in der Berliner Waldbühne, für das Tausende Karten zu nicht gerade günstigen Eintrittspreisen verkauft wurden. Die Waldbühne ist dabei nicht nur eine Station ihrer Tour, sondern selbst genauso legendär wie die Band: Genau 49 Jahre ist es her, als die Rolling Stones ihr erstes Berlin-Konzert an eben diesem Ort gaben. Und das Waldbühnen-Konzert blieb auch deshalb in Erinnerung, weil die Fans der Stones diese heftig verwüsteten. Aber das waren andere Zeiten, damals, 1965 – heute sind die Fans eher friedlich.

Das konnte man am Montagabend sehen, als sie vor der Galerie von Albert Baake im Holländischen Viertel Schlange standen, um einen Blick auf die Bilder von Stones-Gitarrist Ron Wood zu werfen oder auch die von Sebastian Krüger, der die Rolling Stones in Kunstdrucken und Acrylbildern porträtiert. Da war ganz schön was los in der Mittelstraße – aber vielleicht war es auch der heimliche Wunsch, den man im nervösen Spähen der Gäste deutlich erkennen konnte, dass Ron Wood höchstpersönlich erscheinen würde – immerhin hingen ja auch einige seiner Werke in der Galerie, und am Vortag des Konzertes in Berlin ist Potsdam ja auch nicht so weit weg. Er sei über die Vernissage informiert, beteuerte Albert Baake, sicherlich auch ein wenig in stolzer Hoffnung auf ein Erscheinen. Aber nein, den Gefallen tat der Meister seiner Anhängerschaft dann doch nicht.

Ron Wood, dessen Gemälde gegen die von Krüger in der Unterzahl sind, hat ein kaum überraschendes Sujet: die Rolling Stones. Dass er nicht nur mit der Gitarre verwachsen ist, sieht man sofort: Seine Bilder sprühen vor Einfällen, etwa wenn er die Band in den Kontext des „Letzten Abendmahls“ von Leonardo da Vinci rückt. Das wirkt gar nicht so blasphemisch, wie man es von einem Rocker erwarten würde. Wesentlich überraschender ist ein Bild, das vier in Bewegung befindliche Pferdeköpfe zeigt. Die Dynamik des Bildes drängt die Interpretation förmlich auf: ein Tropf, wer hier nicht die Band sieht.

Sebastian Krüger, der Anwesende der beiden Künstler, zeigte sich, da Ron Wood ja leider nicht erschien, gern im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Krüger pendelt oft zwischen seiner Heimat Deutschland und seiner Wahlheimat Kalifornien, wo er meist in Big Sur oder Los Angeles arbeitet, hin und her. Vielleicht schien er deshalb an die brüllende Hitze des Montages gewöhnt, weil er sich freiwillig dem regenarmen, südkalifornischen Klima aussetzt – aber vielleicht ist Krüger auch selbst so ein Rockstar, der den Spagat zwischen Sympathie und Abgebrühtheit schafft.

„Wenn man mit dem Pinsel in der Hand geboren wird und sich für Musik interessiert, kommt man an den Stones einfach nicht vorbei“, sagt Krüger. „Das ist Gesetz.“ Seinen ersten Keith Richards malte er bereits 1983, das Thema Porträts griff er immer wieder auf, bis heute. Er habe aber viele Idole, betont er, nicht nur die Stones. Aber dass die eben was Außergewöhnliches sind, die Champions League der Rockmusik quasi, das weiß Krüger ganz genau: Für ihn seien die Rolling Stones eben auch das gewesen, was er in seiner Jugend, die er in Hameln verbrachte, nie gehabt habe, die Verkörperung des Rockstar-Lebens in all seinen plakativen Facetten. „Sex, Drogen, Satanismus, Rockmusik“, zählt er auf. „In den Stones steckt alles davon.“

Und so porträtiert Krüger die Stones, wie man die Stones am besten porträtieren kann: als völlig überzeichnete Karikaturen, mit ganz viel Liebe zum Detail. Mick Jaggers ohnehin vom Leben gezeichnetes Gesicht wird mit jeder Falte ausgequetscht, schreiende Übertreibungen, die mit markanten Pinselstrichen auf den Punkt gebracht werden. Doch nicht nur die Rolling Stones finden sich in der Werkschau Krügers, auch anderen Charakteren widmet er seine Aufmerksamkeit: Slash findet sich da, der huttragende Zottelkopf und Gitarrengott der Guns N’Roses, aber auch die Beatles oder der Schauspieler Charles Bronson. Krüger arbeitet mit Acryl auf Leinwand, wobei ihm eine beeindruckende Tiefenschärfe gelingt, die die Bilder fast wie Fotos aussehen lassen – allein die Überzeichnung der Charakteristika der Porträtierten verrät dabei die Karikatur. „Meistens sehe ich Fotos in Magazinen, und aus denen mache ich einen echten Krüger“, sagt der Künstler. Das könne aber auch schon mal einige Monate dauern, je nachdem, wie groß die Bilder werden – und die können wirklich riesig werden, wie man in der Galerie sehen kann. Dabei entstehen einige Originale, aber auch streng limitierte Kunstdrucke, die mal verfremdet, fast kubistisch sind – und dann wieder mit erstaunlicher gestochener Schärfe auftrumpfen.

Während in der Schwüle der Galerie der Schweiß von der Wand tropft, dass man fast Angst um die Bilder hat, dirigiert Galerist Baake seine Gäste sanft nach außen, indem er dort kühles Fassbier verteilt, das in den Händen der zahlreichen Rolling-Stones-Shirt-Träger viel authentischer als ein Sektglas aussieht. Er steht breit lächelnd am Eingang, neben ihm Sebastian Krüger, und vor ihnen werden aus der Menschentraube heraus die Fotohandys hochgehalten. Jede Wette, dass er sich in diesem Moment ein wenig selbst wie ein Rockstar fühlt.

Ausstellung „Rolling Stones & more“ mit Bildern von Sebastian Krüger und Ron Wood in der Galerie Albert Baake, Mittelstraße 30, zu sehen bis zum 10. August

Oliver Dietrich

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