Kultur: Romantik im Regen
Beeindruckendes Vorabend-Konzert der Schlössernacht mit dem Helsinki Philharmonic Orchestra
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Stolz darf der Finne auf sein Heimatland sein: marktführend in der Herstellung von Mikroelektronik und Mobiltelefonen, ungeschlagen der Bildungsstandard, berühmt sein individuelles Glas- und Holzdesign. Neben einer großen Begeisterung für Sportveranstaltungen gilt der finnischen Kultur ebenbürtiges Augenmerk. Das Land in Nordeuropa war in der Vergangenheit und ist in der Gegenwart berühmt für seine Interpreten von klassischer Musik. Viele von ihnen stehen an der Weltspitze.
Und doch gibt es einen Komponisten, der den Finnen als Nationalheiliger gilt: Jean Sibelius. Zugleich ist er der erste große Sinfoniker Skandinaviens überhaupt. Das Helsinki Philharmonic Orchestra hatte ein Stück von ihm in seinem Gepäck, als es am Freitag am Vorabend der Potsdamer Schlössernacht musizierte. Zu dieser festlichen Veranstaltung zwischen Neuem Palais und Communs, die in diesem Jahr nun bereits zum fünften Mal stattfand, kommen Gäste, die vertraut sind mit klassischen Konzerten und solche, die Events bevorzugen. Weitgefächert also. Man hört“s am ständigen Applaudieren zwischen den einzelnen Sätzen einer Sinfonie oder eines Konzerts. Und wieder fand man im „Programmheft“ keine Satzbezeichnungen. Das Konzert mit den finnischen Gästen stand vom Wetter her unter keinem guten Stern: Regen nichts als Regen. Aber das Publikum, eingehüllt in Anoraks und Regencapes, die vom Veranstalter ausgelegt wurden, harrte als „Solidargemeinschaft“ zwei Stunden in der Feuchtigkeit aus. Schließlich wollte man noch das traditionelle Feuerwerk erleben.
Den finnischen Gästen mochte der Regen wohl kaum etwas auszumachen. Durch die schnellen Wetterumschwünge sind sie viel mehr mit ihm „vertraut“ als die Deutschen. Mit einer großen Ruhe und Gelassenheit musizierten sie die Werke der Romantik und Spätromantik, so Sibelius“ Tondichtung „Der Barde“ und das Klavierkonzert in a-Moll op. 16 von Edvard Grieg. Doch nach der Pause schien es, als ob sie den Ort des Geschehens schnell verlassen wollten. Unter der Leitung von John Storgard, der ab September diesen Jahres Chefdirigent des Helsinki Philharmonic Orchestra wird, wurde die Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur op. 9, die „Rheinische“, von Robert Schumann musiziert. Allerdings so eilig, als ob man die Rheinfahrt schnell hinter sich lassen wollte. Dieser romantische „Klassiker“ ist zwar ein fröhliches, helles und freundliches Werk, doch durch die geradezu übermäßig hitzigen Tempi, die Storgard bevorzugte, ließ die Stimmigkeit nicht aufkommen. Die Möglichkeit, Kontraste von Thematik und Harmonik schlüssig in Beziehung zueinander zu setzen, waren nicht gegeben. Dennoch, das Helsinki Philharmonic Orchestra wusste mit seinem samtig dunkel grundiertem Wohlklang zu überzeugen. Die in diesem Jahr gelungene Tonübertragung tat das Ihrige.
Mit Engagement bei der Sache waren die Finnen auch bei der Wiedergabe des Klavierkonzerts a-Moll des Norwegers Edvard Grieg. Als Solist konnte einer der weltweit besten Pianisten gewonnen werden: Olli Mustonen, ebenfalls in Helsinki zu Hause. Ein wenig exzentrisch klang das lyrisch-virtuose Werk unter den Händen Mustonens schon, das in manchem an Robert Schumann erinnert. Mit energischem Zugriff, schnellem Tempo vermied er alles Schwelgerische, das man ja in diesem Klavierkonzert findet. Storgard und das Orchester passten sich dem Pianisten perfekt an.
Zu Beginn erklang die hierzulande selten gespielte Tondichtung „Der Barde“ – ein als alles andere weitschweifige Werk von Jean Sibelius. In seiner sparsamen Instrumentierung haftet dem Werk ein Ton von Zurückgezogenheit und Einsamkeit an. Storgard und das Helsinki Philharmonic Orchestra (wunderbar die Harfenistin) machten die Ballade zu einem bewegenden musikalischen Erlebnis. Mit der Zugabe eines unerheblichen Stücks aus China ging es in das Reich der Mitte, denn bei „Olympia“ in Peking wird der Klangkörper in dieser Woche auftreten.
Auch 2009 ist das beliebte Vorabend-Konzert der Schlössernacht wieder fest eingeplant: Joseph Haydn gewidmet.
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