Kultur: Romantische Sternenkrieger
Das Filmorchester Babelsberg mit Williams und Mahler im Nikolaisaal
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Das Filmorchester Babelsberg mit Williams und Mahler im Nikolaisaal Ginge es nach Scott Lawton und dem Publikum, so würde das Deutsche Filmorchester Babelsberg schon in der kommenden Woche wieder auf der Bühne im Nikolaisaal sitzen. Denn Lawtons neckische Frage am Freitagabend am Ende des Potsdamer Crossover Konzerts „Symphonic Star Wars“, ob die Anwesenden sich denn ein derartiges Konzert öfter vorstellen könnten, wurde fast schon mit frenetischem Beifall beantwortet. Filmmusik, handgemacht und frei vom Bildgeschehen auf der Leinwand, zieht ein breites und vor allem junges Publikum in die Konzertsäle, das nach mehr verlangt. John Williams und Gustav Mahler standen an diesem Freitag auf dem Programm. Williams mit Ausschnitten aus seinen Kompositionen zu dem Sience-Fiction-Klassiker „Star Wars“ und Mahler mit Sätzen aus seiner 5. und 10. Sinfonie. Mancher mag sich sträuben, die beiden Komponisten in einen musikalischen Topf zu werfen. Doch ist es nicht selten dieser etwas unorthodoxe Umgang, der neue Sichten eröffnen kann. Sternenkrieger und Romantiker: Möge die Macht mit uns sein. Den klassischen Kampf Gut gegen Böse hat der amerikanische Regisseur George Lucas in seinem dreiteiligen Star-Wars-Epos Ende der 70er Jahre erfolgreich in eine Zukunft in das Weltall gelegt. Und während stadtgroße Raumschiffe bedrohlich durch das All pflügen oder sich Vertreter beider Parteien mit Lichtschwertern das Leben schwer machen, lieferte Williams die entsprechende musikalische Untermalung. Mit der „Flaggenparade“ aus dem ersten Star-Wars-Film eröffnete das Filmorchester unter Lawton das Konzert und schlug sich gleich auf die Seite des Bösen. Martialisch und ohrenbetäubend ging es hier zu Sache, die Blechbläser schneidend-dominat in akkurater Marschformation, gegen die sich die Streicher kaum durchzusetzen wussten. In „Prinzessin Leias Thema“ oder in „Anakins Thema“ dann die Streicher in ihrem Element, da sich jetzt das Gute in all seiner Liebenswürdigkeit präsentierten durfte. Filmmusik, so wurde schnell klar, ist einfach strukturiert, mit bestimmten Themen von hohem Wiedererkennungswert und dementsprechend leicht verständlich. Was nicht heißen muss, dass sie langweilig wäre. Das Filmorchester Babelsberg, ganz in seinem Element, agierte spannungsreich im ausgelassenen Machtkampf zwischen Streichern und Bläsern, wobei das „Duell der Schicksale“ zu einem der Höhepunkte der kurzen Stücke zählte. Gustav Mahler dann fast schon als Kontrapunkt. Das Adagio aus der 10. Sinfonie, Mahlers „Unvollendeter“, von dem er als einzigen Satz vor seinem Tod 1911 eine Partiturskizze fertigstellen konnte und deren übrige vier Teile nur Fragment blieben, vom Filmorchester Babelsberg in fast schon epischer Länge präsentiert. Mahlers Kompositionen waren wie kaum bei einem anderen vor allem Ausdruck des eigenen Empfindens. Die schwere Krankheit, familiäre Probleme, die fehlende Akzeptanz seiner Musik bei seinen Zeitgenossen, all dies liegt schwer in diesem sich langsam ausbreitenden Adagio. Genauso wie sein scheinbar unwiderstehlicher Hang zu manch banalem Thema, das er aber immer wieder, auch mit gewagt atonalen Mitteln, aufzubrechen wusste. Dann das Adagietto aus der 5. Sinfonie, nur von den Streichern gespielt, in einer wunderbar artikulierten ruhigen Spielart, hätte der passende Abschluss sein können. Doch Lawton wusste, dass vor allem Filmenthusiasten im fast vollen Nikolaisaal saßen und verabschiedete sich mit einer Komposition Williams für den Film „E.T. – Der Außerirdische“. Denn obwohl gern gewünscht, wird Zeit vergehen, bis das Filmorchester Babelsberg wieder im Nikolaisaal spielt. Dirk Becker
Dirk Becker
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