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Kultur: Rossinis Natürlichkeit

Der Countertenor Max Emanuel Cencic am Sonnabend in Potsdam / Gespräch mit dem Österreicher

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„Potsdam ist der Ort, den ich beruflich immer wieder aufsuche", sagt Max Emanuel Cencic in einem Gespräch mit dieser Zeitung. „Mitte der neunziger Jahre habe ich zwei Mal in Opernproduktionen der Musikfestspiele mitgewirkt. Somit war ich für Proben und Aufführungen immer mehrere Wochen in der Stadt. Nun freue ich mich, am kommenden Sonnabend im Nikolaisaal mit der Kammerakademie Potsdam und ihrem Dirigenten Andrea Marcon musizieren zu können. Leider ist nur ein Konzert geplant, aber ich würde mich über jede weitere künstlerische Begegnung in Potsdam freuen." Mit der Kammerakademie reist Cencic anschließend zu Konzerten nach Kiel und Dresden.

Die bisherigen Auftritte in Potsdam galten der Barockoper. In Werken von Baldassare Galuppi und Antonio Vivaldi war er in Aufführungen im Schlosstheater des Neuen Palais zu erleben. Noch als Sopranist – da war er 19 Jahre alt. Am Sonnabend singt er als Countertenor im Sinfoniekonzert der Kammerakademie Potsdam Arien von Gioacchino Rossini (1792-1868), der zu seiner Zeit mit Mozart und Beethoven verglichen wurde und einer der letzten Klassiker der Opernbühne ist.

Mit Rossini betritt der Österreicher Max Emanuel Cencic, der Mitglied der Wiener Sängerknaben war und heute einer der bekanntesten Interpreten von Barockmusik ist, ein neues Terrain. Für den Countertenor, der 2003 vom Magazin „Opernwelt“ zum Nachwuchssänger des Jahres gekürt wurde, sind die Zeiten, in denen die einfache Formel galt, Countertenor-Repertoire ist gleich Barock-Repertoire, längst vorbei.

Bislang waren die Hosenrollen in den Rossini-Opern immer nur den Frauenstimmen vorbehalten. „Nun habe ich mich an sie gewagt und habe Zuschauer und Rezensenten in Staunen versetzt. Manche Kritiker finden das aber gar nicht gut. Sie meinen, nur den Mezzosopranistinnen und Altistinnen stehen diese Partien zu“, erzählt der Countertenor. „Doch sie vergessen, dass Rossini selbst mit Kastraten, vornehmlich mit Giovanni Battista Velluti, gearbeitet hat. Für Rossini und für andere Komponisten seiner Zeit galt die einfache Regel: Wenn man keinen guten Kastraten findet, wird eine Frau für die entsprechende Partie verpflichtet.“ Max Emanuel Cencic weiß natürlich, dass er sich mit den großen Rossini-Sängerinnen unserer Zeit vergleichen lassen muss. „Ich sehe mich als eine Alternative zu meinen Kolleginnen. Auch zwischen den Damen Marilyn Horne, Jennifer Larmore, Eva Podles oder Cecilia Bartoli liegen ja Welten, was Stimmumfang und Timbre betrifft. Es ist auch eine Geschmacksfrage“, so Max Emanuel Cencic.

Es gibt für den jungen Sänger noch andere Hosenrollen zu entdecken, die traditionell von seinen Kolleginnen gesungen werden. Und so wird er sich zunächst der Operette zuwenden. Beispielsweise ist er bald der Orest in „Die schöne Helena“ von Jacques Offenbach und der Orlofsky in der „Fledermaus“ von Johann Strauß. „Die entsprechenden Mozart-Partien sehe ich in nächster Zeit noch nicht auf mich zukommen, da die Intendanten von Opernhäusern bislang nicht den Mut haben, Countertenöre mit den Hosenrollen Mozarts, Donizettis oder Bellinis zu besetzen. Da muss noch ein Umdenken stattfinden.“

Verzichten möchten die zahlreichen Fans Max Emanuel Cencic nicht auf seine Interpretationen von Barockmusik, denn wie bei Rossini gestaltet er die vertracktesten Koloraturen auch bei Vivaldi oder Händel mit sensationeller Leichtigkeit und schafft so gleichsam Präzedenzfälle für die Interpretation dieser Partien – nicht nur durch Countertenöre. „Aber Rossini singt sich viel einfacher als so manche Barockmusik. Bei dem Italiener steht Natürlichkeit an erster Stelle, in der Barockzeit wurden dagegen die Emotionen viel künstlicher dargestellt.“

Man kann das Ungekünstelte eines Rossini am Sonnabend, aber auch auf seiner neuen CD wunderbar erleben.

Sinfoniekonzert mit Max Emanuel Cencic und der Kammerakademie Potsdam (Dirigent: Andrea Marcon) am 17. Mai, 19.30 Uhr, im Nikolaisaal mit Werken von Gioacchino Rossini und die Sinfonie Nr. 7 von Beethoven

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