zum Hauptinhalt
So schön kann Erinnerung klingen. Die Musiker von Die Art haben sich ein Best Of-Album gegönnt.

©  promo/Waschhaus

Von Dirk Becker: Rückschau darf sein

Die Art kommen auf ihrer Für immer und ewig-Tour nach Potsdam

Stand:

Es mag Zufall sein. Aber dann wäre es wohl doch etwas zu einfach und den Herren von Die Art gegenüber ungerecht. Ausgerechnet im 20. Wendejahr bringt die in Leipzig gegründete Band ein Album mit dem Titel „Für immer und ewig“ heraus. Kein neues Studiomaterial, was die vier Musiker darauf präsentieren. Da reicht schon ein kurzer Blick auf das Cover, wo unter dem Titel steht: „Best Of Vol. 1“. Das Standardprogramm einer Band also, die in die Jahre gekommen ist. Wenn sonst nichts hilft, ein „Best Of“-Album mit Gassenhauern aus den früheren, ach so glorreichen Tagen hilft immer! Nur passen Die Art leider nicht in das dafür vorgesehene Schema.

Mit einem Alter von 19 Jahren – die obligatorische Zwangspause von 2001 bis 2007 wegen „bandinterne Missverständnisse“, wie es in solchen Fällen heißt, abgezogen – gehört Die Art zwar fast schon zur Kategorie „Senioren“ in Sachen Rock- und Popmusik. Aber erfolglos sind die Musiker nicht, um durch ein „Best Of“-Album auf sich aufmerksam zu machen. Erst im vergangenen Jahr haben Die Art mit „Funeral Entertainment“ ein Studioalbum veröffentlicht, das nicht nur bei den Fans, sondern auch bei der Kritik auf aufmerksame Ohren stieß. Ist es also doch Kalkül, ausgerechnet im Wendejubeljahr 2009 innezuhalten, gnädig auf das Vollbrachte zu schauen, sich und die treue Fangemeinschaft mit den gesammelten „Greatest Hits“ zu beglücken. Ein Blick auf die Gründungsgeschichte dieser Band legt einen solchen Schluss fast schon zwingend nahe.

Gegründet wurden Die Art in Leipzig im Jahr 1986. Als Vorgängerband gilt eine Band mit dem fröhlichen Namen Die Zucht. Für den Sänger Holger „Makarios“ Oley, Bassisten Christoph Heinemann, Gitarrist Thomas Gumprecht und den Schlagzeuger Thomas Stephan war es in der noch arg starren DDR zumindest musikalisch eigene Wege zu gehen. Da wurde der gitarrenkantige Punk mit dem melancholischweichen Dark Wave gemischt und so den alten Herren in der staatsoberhäuptlichen Kaderriege ganz eigenwillig, aber umso kräftiger der Marsch geblasen. So erspielte sich Die Art schnell ein Publikum, die in der Musik und den Texten dieser sogenannten Anderen Bands in der DDR endlich eine Stimme für die eigene Sprachlosigkeit fand. Das sorgte selbstverständlich für Unruhe bei den Staatstragenden und so konnte Die Art von einem Plattenvertrag bei dem DDR-Label Amiga nur träumen. Doch im Jahr 1989 schafften es Die Art auf das letzte Pfingsttreffen der DDR-Jugendorganisation FDJ. Vor 10 000 Zuschauern ließen Holger „Makarios“ Oley und Co es krachen. Es war der Monat Oktober, es dauerte nicht mehr lange bis zum Mauerfall.

Nach der Wende erging es Die Art wie vielen anderen Bands aus der DDR. Sie gaben neue Platten heraus, versuchten ihren Weg unter veränderten Bedingungen zu finden und trennten sich dann doch. Das war Ende 2001. Es dauerte sechs Jahre bis die Musiker wieder zusammenfanden. Fast möchte man sagen: Wenn sonst nichts hilft, eine Wiedervereinigung mit den alten Gassenhauern im Gepäck hilft immer. Doch schon mit ihrem zweiten Album nach dem großen Bruch, „Funeral Entertainment“, zeigten Die Art, dass bei ihnen mehr zu haben ist als Nostalgie. Ihre deutlich zum düsteren Pop tendierenden Lieder lassen nicht nur den aufhorchen, der die Musiker noch aus den frühen Tagen kennt. Dann kann man dann auch ganz gelassen Rückschau halten und eine Hitsammlung unter dem schönen Titel „Best Of Vol. 1“. Denn die „1“ lässt ja auch einen Nachfolger hoffen. Der kommt dann vielleicht in 20 Jahren. Und dann dürfen wir uns wieder fragen, ob das Zufall ist, ausgerechnet im 40. Wendejahr.

Die Art spielen morgen, ab 21 Uhr, im Waschhaus, Schiffbauergasse. Der Eintritt an der Abendkasse kostet 13 Euro

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })