
© Galerie Sperl
Kultur: Ruderer im frei schwingenden Raum
Die neue Ausstellung in der Galerie Sperl vereint mit den Künstlerinnen Kerstin Heymann und Ulrike Hogrebe zwei ganz unterschiedliche malerische Positionen
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Gegensätze ziehen sich an. Oder stoßen sich ab. So ganz genau weiß man das nie. Hier sind sie jedenfalls: Quadrate und Blumen, Strichgesichter und Blütenkelche, weiße Geometrien und wuchernder Urwald. Eigentlich wollte Rainer Sperl die Bilder von Kerstin Heymann und Ulrike Hogrebe in der gegenwärtigen Ausstellung in seiner Galerie unmittelbar nebeneinander hängen. „Das ging aber nicht, das wäre zu hart aufeinander geprallt“, sagt der Galerist. Dennoch hat er die beiden Künstlerinnen in einer Ausstellung vereint. So entsteht ein ausgesprochen interessantes Spannungsfeld, denn ganz offenkundig ist der malerischer Ansatz der beiden Künstlerinnen grundverschieden.
Schwarze Linien auf gelbem Grund erinnern bei Ulrike Hogrebe an längst verflossenes „Neo Geo“ – eine Stilrichtung, die in den 80er Jahren kurz aufblühte, dann aber schnell wieder verschwand. Allerdings: seit der Konstruktivismus – diese streng gegenstandslose Strömung, die vor allem der russischen Avantgarde entsprang – sich Anfang des vergangenen Jahrhunderts für die Reduktion der Malerei auf eine rein geometrische Formensprache interessierte, ist der Gedanke daran nie so ganz aus der Malerei verschwunden.
Die Berliner Künstlerin Katja Strunz positioniert sich mit geometrischen Elementen gegenwärtig ziemlich erfolgreich, ebenso wie Helmut Federle oder Sean Scully. Im Gegensatz zu diesen berühmteren Kollegen allerdings finden sich bei Hogrebe immer wieder figürliche Anklänge. Mal ist es ein Baum, dann sind es zwei maskenhafte Gesichter oder die reduzierte Form eines weißen Blütenblattes. Es entsteht eine Welt, die zunächst wohlgeordnet und überschaubar wirkt, bei näherem Hinsehen aber manche Überraschung birgt. Unvermittelt schiebt sich ein einsamer Ruderer durch das plane blaue Oval, das so zu einem See wird. An der Kante des kubistisch anmutenden Tisches hängt plötzlich ein Katzenkopf. So bricht Hogrebe den Ernst der Geometrie mit skurrilen Elementen. Es entstehen kleine anekdotische Geschichten, die jedoch nie narrativ bebildert werden, sondern auf den konzentrierten Moment beschränkt bleiben. Kerstin Heymann, die zweite Künstlerin der Ausstellung dagegen, entblättert auf ihren Bildern eine Blütenpracht, in der sich unter der verführerischen Oberfläche ein ganzer Urwald verbirgt.
Meist herrscht eine weiß-graue Stimmung, aus der einzelne Blüten, Blätter und Stemple hervor leuchten. Tritt man näher heran, guckt man genauer hin, zeigt sich die vielschichtige Struktur der Malerei Heymanns. Nicht die exakte Wiedergabe einer vorgefundenen floralen Form ist das Ziel der Künstlerin, sondern die Idee der Blume, des Blattes – und der Raum, den sie mit ihren fantastischen Blütenelementen inszeniert. „Mich interessiert die Vielfalt, die ich draußen sehe. Ich habe mich immer gern im Freien aufgehalten und so anregen lassen“, sagt Heymann. Auf ihren Bildern fände sich ebenso wie in der Natur Ordnung und Unordnung. Viele Formen und Elemente scheinen unter der matten Oberfläche verborgen, deuten sich nur an. „Da ist viel versteckt, vieles bleibt undurchsichtig“, so Heymann. In ihrem Studium sei sie zunächst von einem grafischen Ansatz ausgegangen, habe sich dann aber immer eindeutiger der Malerei zugewandt. Das reizvolle Spiel mit verschiedenen Ebenen, grafischen Elementen und frei schwingender Malerei findet sich auch auf ihren aktuellen Bildern. „Auf der Leinwand entsteht ein Raum der Möglichkeiten“, findet Heymann. Zwar hat das Genre der Blumenmalerei schon vor etlichen Jahrhunderten – mit Jan Brueghel dem Älteren – seinen Höhepunkt gefunden. Auch können sich in der gegenwärtig herrschenden figürlichen Malerei nur Wenige für das Florale begeistern. Aber es gibt sie doch noch immer: die stille Freude an der Vielfalt der Flora. Auch wenn Heymann keine Plain Air Malerin ist: „Nein, meine Bilder entstehen im Atelier. Ich gehe allenfalls mal in den Garten“, gesteht Heymann.
Auffällig jedoch ist, dass es vorwiegend Frauen sind, die sich für das pflanzlich Blühende interessieren: Alisa Margolis, Hadassah Emmerich, Anna Vonnemann, Heide Hatry, oder die ganz große Blumenmalerin des vergangenen Jahrhunderts: die Amerikanerin Georgia O'Keefe.
Während Letztgenannte – übrigens eine der bekanntesten Künstlerinnen des 20. Jahrhundert – ebenso wie Hatry das symbolische Moment der Blüte gerne gnadenlos ausreizte, geht es Heymann um die Schönheit und die Wandelbarkeit der Blütenform. So nimmt es nicht wunder, dass Kerstin Heymann einen Wettbewerb um die Neugestaltung der Wandpanelen eines Schlosses in Altdöbern gewann, der ausgeschrieben wurde, um die renovierten Räume mit aktueller Kunst zu gestalten. Das gelang. Nicht mit barocker Pracht, sondern mit einem völlig zeitgemäß luftig schwingenden Blütentraum.
Die Ausstellung in der Galerie Sperl, im Schaufenster der Fachhochschule, Friedrich-Ebert-Straße 41, wird an diesem Sonntag um 15 Uhr mit einer Vernissage eröffnet
Richard Rabensaat
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