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Kultur: Sag“s noch einmal

Das Poetenpack macht im Melodie-Kino aus „Casablanca“ ein Playbacktheater

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Das Poetenpack macht im Melodie-Kino aus „Casablanca“ ein Playbacktheater Mit Klassikern verhält es sich wie mit alternden Diven. Wer sich ihnen nähert, muss auf der Hut sein, denn der Umgang mit ihnen erfordert in hohem Maße Fingerspitzengefühl. Ob Buch, Theaterstück oder Film, je älter so ein Klassiker, umso dicker die Patina der Unantastbarkeit. Wer dann doch eine Neubearbeitung, Neuinterpretation wagt, auf den richten sich zwangsläufig drohend, fast vernichtend schon die strengen Blicke der Gralshüter dieser Altehrwürdigen. Ausgerechnet „Casablanca“ haben sich Regisseur Andreas Büettner und die Schauspieler des Poetenpacks für eine Theaterparodie vorgenommen, die im Kino Melodie Premiere feierte. Diesen Kultfilm jenseits jeglicher Ernsthaftigkeit nur auf seine Tonspur begrenzt, dazu vier Darsteller, die sich auf spärlicher Bühne mühen. Das grenzt fast schon an Majestätsbeleidigung. Die Dreiecksgeschichte um den Barbesitzer Rick Blaine, die Norwegerin Ilsa Lund und deren Ehemann, den gesuchten Widerstandskämpfer Victor Laszlo in der marokkanischen Flüchtlingsstadt Casablanca während des Zweiten Weltkrieges, als Playbacktheater. Fünf Stühle auf der Bühne, das ist alles, was Angelika Hofstetter, Mirko Böttcher, Emanuel Torres und Lars Wild für gut anderthalb Stunden brauchen. Und während aus den Boxen die bekannten Synchronstimmen von Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, Paul Henreid und Claude Rains zu hören sind, springt das Poetenpack auf der Bühne von einer Rolle in die nächste und dann in eine andere und irgendwann wieder zurück. Gegenstände wie Koffer, Klavier oder Whiskygläser werden pantomimisch dargestellt. Nur auf die ganz wichtigen Requisiten verzichtet auch das Poetenpack nicht. Auf die ewige Zigarette im Mundwinkel von Rick nicht, und auch nicht auf die für das große Finale am Flughafen entscheidende Pistole. Die versprochene Parodie lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Slapstick-, fast schon marionettenhaft springen die Schauspieler durch die Szenen. Der Pianist Sam, mit dem bekannten „As time goes by" mit blonder Perücke, stark an die verrückten Musiker der Muppet-Show erinnernd. Hier gelingt es dem Poetenpack, mit nicht übertriebener Heiterkeit der filmischen Vorlage etwas von ihrer Steifigkeit zu nehmen. Im zweiten Teil ist der Humor dann nur noch ein seltener Gast. Doch liegt das weniger an den Schauspielern. Die langen Dialoge zwischen Rick und Ilsa, der verzweifelte Kampf von Laszlo um die rettenden Visa, hier wären übertriebene Späße nur pietätlos. Doch bleibt so das Tempo vom Anfang auf der Strecke, sind manche gespielten Szenen zu sehr Film. Und so wirkt das Finale am Flugplatz, die Rettung von Ilsa und Victor Laszlo, so wie es dort auf der Bühne im Kino Melodie gespielt wird, unentschlossen zwischen Film und Parodie. Darüber kann auch die Karikatur des sterbenden Majors Strasser nicht hinwegtäuschen. So ist dieses „Casablanca“ weniger Majestätsbeleidigung geworden. Sehr unterhaltsam und oft genug auch humorvoll ist das, was Büettner und Poetenpack hier präsentieren, aber auf jeden Fall.Dirk Becker

Dirk Becker

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