Kultur: Sauberer Salon-Jazz
Einfach zu korrekt: Beat Kaestli im Foyer des Nikolaisaals
Stand:
Jazz ist nicht gleich Jazz. Es gibt sauberen Jazz, dreckigen Jazz, Jazzclub-Jamsession-Jazz, Hitlisten-Jazz und viele Arten mehr. Es gibt Konzerte, die sind zwar gut gespielt, aber trotzdem ziemlich gleichförmig und nicht besonders aufregend. Den vielen Jazz-Standards nicht nur eine neue Stimme zu verleihen, sondern sie sich wirklich anzueignen, ist eine Herausforderung für viele, auch sehr gut ausgebildete Jazzsänger.
Der gebürtige Schweizer Beat Kaestli bot am Freitagabend im Foyer des Nikolaisaals nur sauberen Salon-Jazz. Dabei machte die Moderatorin des Abends, Sabine Korsukéwitz vom rbb, seine Musik als „von selten gehörter Qualität“ schmackhaft. Der Wahl-New Yorker hätte es ganz groß geschafft, sagte sie. Davon wollten sich aber schon im Vorfeld nicht so viele wie sonst überzeugen lassen. Im Foyer des Nikolaisaals blieben, für ein „The Voice“-Konzert ungewöhnlich, viele Stühle leer.
Aber was war denn nun dran, an dem „Crooner“, dem sanften, zärtlichen Jazzvokalisten, wie er beschrieben wurde? Er sang ja schön, aber das „Verführen des Publikums“ blieb doch auf der Strecke. Und nicht nur weil auf dem Balkon diesmal keiner saß, dem von unten die Minne gesungen werden konnte.
Was ihn auszeichnet ist eine sehr feine Stimme. Der „Crooner“ Kaestli kann sehr lange Töne halten. Er kann auch ganz leise Tönen singen. Höher und klarer als die meisten Männer. Er hat eine kräftige Mittelstimme und auch eine Tiefe sehr gut unter Kontrolle. Er sang astrein, könnte man sagen.
Trotzdem machte es mehr Spaß, dem Bassisten Andreas Lang mit der langen roten Mähne und dem Pianisten Tino Derado zuzusehen. Die lächelten sich nämlich fortwährend an und nickten sich zu. Eine richtig nette Runde Jungs spielte da oben auf der Bühne hinter dem breiten Rücken von Kaestli. Man konnte die gemeisterte Herausforderung der Takte im Gesicht des Andreas Lang ablesen, Derado saß ja mit dem Rücken zum Publikum. Beat Kaestli war einfach zu korrekt, zu sauber. Auch wenn die Stücke schön waren. Auch wenn die „Uhhhs“ und „Ahhhhs“ die „Badudubadus“ perfekt gesetzt wurden. Nach Improvisation und Leidenschaft klang es nicht.
Die Sängergesten: Er hob den linken Zeigefinger, wie eben ein richtiger Bandleader es tut, um eine Veränderung anzuzeigen, er zog die Augenbrauen zusammen wie ein richtiger Star, der gerade ganz viel Gefühl in seine Töne legt und er fletschte die Zähne an besonders hohen leisen Stellen, wie es eben Profisänger machen. Aber für eine Gänsehaut reichte das noch nicht. Es war nett.
Beat Kaestli trug vor allem die Songs seiner neuen CD, mit dem nichts sagenden Titel „Far from Home – A Tribute to European Song“ vor. Abgesehen davon, dass es bereits mindestens zwanzig Platten mit dem Titel „Far From Home“ auf dem Markt gibt, was genau soll denn das sein, eine Hommage an europäische Songs? Es scheint als habe Kaestli krampfhaft versucht, einen roten Faden zwischen einer schmissigen Bar-Version Georges Bizets „Habanera“, ein bisschen von Annie Lennox’ „Here comes the Rain again“ und ein paar eigenen Kompositionen zu knüpfen. „Kaestlis Favoriten“ hätten die Mischung der Songs, die eben am Ende doch nur als gut performte und recht glatte Standards daherkamen, treffender beschrieben.
Es dauerte bis zur zweiten Hälfte des Konzerts, bis Kaestli endlich das über dem Bäuchlein gespannte braunbeige Sakko aufknöpfte und seine eigene Person hinter der gebügelten, aber eben auch beliebigen vokalen Eleganz von Beat Kaestlis Können greifbarer wurde. Vor allem in den Stücken auf seiner Muttersprache, einem völlig unverständlichen Schwiizerdütsch und einigen schnelleren Stücken, wie das auf Englisch und Spanisch gesungene „Eso“. Da sprach er nämlich das Publikum endlich direkt an, behielt die Augen offen und vergaß sich beim Tanzen auch mal ein bisschen. Der Kaestli ist zwar kein Schmächtiger, aber tanzen kann er und dabei sieht er richtig funky aus.
Bei Michael Legrands „What are you doing the Rest of your Life“ wurde es sogar frisch und mitreißend. Hätte der Kaestli da doch einen drauf gesetzt, anstatt sich wieder hinter dem seriösen Jazz-Vokalisten zu verstecken und sich mit dem schnulzigen Piaf-Song „La vie en rose“ zu verabschieden.
, ine Zimmer
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