Kultur: Scharfzüngiger Freigeist
Sommertheater „Cyrano de Bergerac“ in Abendschule
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Die Sonne verfängt sich im Geäst der Linde. Ein französisches Lied erzählt von Liebe, Sehnsucht und Schmerz. Dazu die heiter-aufbegehrenden, auch melancholischen Klänge auf Akkordeon und Trommel. Die Piazza von Paris fühlt sich in dem barocken Innenhof der Heinrich-von-Kleist-Abendschule bestens aufgehoben. Dort nämlich in dem bunten Treiben der Liebesdienerinnen, Gaukler und Musketiere lässt Cyrano de Bergerac seine hieb- und stichfesten „Argumente“ walten, wenn einer es wagt, ihn wegen seiner großen Nase aufzuziehen. Doch er ist nicht nur Meister des scharfen Degens, er weiß auch, seine Zunge zu wetzen. Und vor allem steht dieser Mann zu seinem Wort. Cyrano ist kein Speichellecker. Lieber wählt er die Einsamkeit, als sich den Rücken zu verbiegen.
Und genau das macht ihn für die Theatergruppe „marameo“ so interessant. Sie erkor Cyrano de Bergerac zur Titelfigur ihres diesjährigen Sommertheaters. Diese romantische Komödie von Edmond Rostand wird ab 6. Juli in acht Vorstellungen dem äußerlich zwar unattraktiven, dafür aber geist- und witzreichen Mann in Potsdam ein Podium bereiten.
Im vergangenen Jahr machte die umher reisende freie Theatergruppe bereits mit „Diener zweier Herren“ von sich reden. „Auch in dieser Commedia del“arte ging es mit Truffaldino um jemanden, der sich behauptet und jede Kriecherei ablehnt – allerdings auf eine eher tumbe Weise“, erzählt Regisseur Andreas Lüder. Er hält auch jetzt wieder die Spielfäden in den Händen. Diesmal interessiert ihn zudem die ganz aktuelle Thema des Jugend- und Schönheitswahns, die Äußerlichkeiten vor innere Werte stellten.
Gestern gab es schon mal durch das kleine, siebenköpfiges Ensemble rund um die Linde einen singenden und wortgewaltigen Vorgeschmack auf das sommerliche Theater-Open-Air. Die freiberuflichen Schauspieler werden dabei von Studierenden der Abendschule unterstützt, die als Komparsen das Pariser Flair mit herbei zaubern. Einer von ihnen, André Manthey, nahm sogar ein halbes Jahr Fechtunterricht, erzählt Schulleiterin Angela Hoffmann. Sie ist froh über die Kooperation mit der Theatercrew, die sich über das ganze Jahr erstrecke und keine Eintagsfliege sei. Mittler zwischen Abendschule und „marameo“ sei Hans Nadolny gewesen, der persönliche Referent des Intendanten des Hans Otto Theaters. Der kannte Andreas Lüder aus der gemeinsamen Zeit am Deutschen Theater Berlin. Dort arbeitete Lüder fünf Jahre als Dramaturg und Regieassistent an der Seite von Thomas Langhoff und Jürgen Gosch. Dann landete er beim Poetenpack, führte bei vier großen Sommerkomödien selbst Regie. „Danach war es Zeit, neue Wege zu gehen, auch weil bei aller Liebe zu Shakespeare andere Autoren frohlockten.“ Wie eben jetzt Edmond Rostand. Der vierköpfige Poetenpack-Abkömmling „marameo“ mit zusätzlicher, wechselnder Schauspielerriege muss seine Inszenierung in diesem Jahr ohne Fördergeld aus Potsdam auf die Beine stellen. „Nur aus Sachsen-Anhalt kamen Zuschüsse. Wir wollten uns eigentlich nicht verorten, aber es gibt scheinbar keinen anderen Weg“, so Lüder. Jetzt will die Truppe einen Verein in Potsdam gründen, um auch hier fördertauglich zu sein. Denn der lauschige Hof rund um die Linde soll noch viele Geschichten erzählen. Heidi Jäger
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