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Kultur: Scheinbar bekannt und berückend neu

Neue Arbeiten der Berliner Malerin Inge Hildebrandt Schmidt in der Galerie Burstert, Albrecht

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Neue Arbeiten der Berliner Malerin Inge Hildebrandt Schmidt in der Galerie Burstert, Albrecht Von Götz J. Pfeiffer Inge Hildebrandt Schmidt ist eine Forscherin, eine Entdeckerin, eine Eroberin. Doch sie benutzt kein Schmetterlingsnetz, braucht weder Lasten schleppende Sherpa-Kolonnen, noch führt sie Feuer und Schwert. Der 1952 in Thüringen geborenen Berliner Malerin, die an der Burg Giebichenstein und dann an der Berliner Hochschule der Künste studierte, reichen die eigenen Augen auf den Streifzügen durch die Welt und die Geschichte der Kunst. Im Atelier bringt sie ihre Eindrücke in Kohle, Aquarell und Gouache, in Öl und Acryl zu Papier und Leinwand. Dann entstehen Bilder, die zwischen Konkretion und Abstraktion, zwischen Vergangenheit und Gegenwart balancieren, solche wie die „Neuen Arbeiten“, die während der nächsten Wochen als intensive Werkschau in der Galerie Burstert, Albrecht zu sehen sind. Und wenn die Ausstellung auch mit dem abgewandelten Zitat „Allem wohnt ein Zauber inne“ aus Hermann Hesses zu häufig zitiertem „Stufen“-Gedicht überschrieben ist, überzeugt schon am Eingang das erste große Bild eines gehörnten, teuflischen „Wasserspeiers“, das Hildebrandt alles andere als süßliche Romantizismen zu bieten hat. Auf den knapp 30 Arbeiten, häufig nach Potsdamer und Berliner Motiven, greift die Malerin zwar auf historische Bauten und Sujets zurück, entgeht aber in glücklicher Weise de m verschönernden Überzuckern einer geschichtsseligen Verklärtheit. Bei ihr sind die mit breitem Pinsel und kräftigen Farben gemalten Skulpturen vor der „Orangerie“ zum Leben erweckt und hocken wie geduckte Sphingen vor der historischen Fassade, als wollten sie gleich zum tödlichen Sprung ansetzen. Und eine wird im nächsten Moment wie erlegt vom Sockel stürzen. Dahin ist Preußens Glanz und Gloria auch bei den „Figuren auf dem Neuen Palais“, die in Brand geraten scheinen. In Rot, Orange und Gelb glühen sie vor einem feuerhellen Himmel oder stehen in Schwarz als bereits ausgebrannte Schatten. Was Hildebrandt zur Bewegung erweckt, das entflammt und verzehrt sich selbst in seinem Leben, bleibt danach aber keineswegs als leere Hülle stehen. Die Malerin liest in der Stein gewordenen Geschichte die Allegorie des Lebens. Dazu gehört auch das Sterben. „Allegorie des Lebens“ heißt denn auch eine dreiteilige Arbeit mit dem charakteristischen Profilkopf Hildebrandts auf der linken und einem - wohl dem eigenen - fallenden Frauenakt auf dem rechten Bild. Was mag da die blaue, züngelnde Form in der Mitte bedeuten? Von einer erst distanzierenden, dann immer wieder anziehenden Kraft ist der Zauber, der von Hildebrandts Bilder ausgeht. Zu welchem magischen Moment mögen sich die Engel auf der rostroten „Schlossbrücke Berlin“ vor dem Alten Museum zusammengefunden haben? Die geschickte Farbenmischung lässt an die Rachegestalten einer Endzeitvision denken. Oder wollen sich die vier weißen Wesen mit dem nächsten Schlag der mächtigen Schwingen von ihren Sockeln erheben, dem Grau der Geschichte entfliehen oder als Racheengel auf ewig widergehen? Die Malerin kostet am Widerspiel von Leben und Tod, führt es im Gegensatz von lustvoller Freude und düsterer Bedrohung in „Der Tod und das Mädchen“ vor, indem sie das Sujet mittelalterlicher Totentänze gekonnt in Mischtechnik vor die zeitgenössischen Augen stellt. Ein Memento Mori, mahnendes Symbol der eigenen Vergänglichkeit, ist der mit Farbnuancierungen von Lila gemalte „Vogel-Schädel“, dessen verwischte Konturen die Flüchtigkeit selbst der Überreste noch unterstreichen. Und in der Tradition von Vanitas-Darstellungen, Bildern der Vergänglichkeit alles Irdischen, wird man die blühende - und bald verblühte „Lilie“, das „Mädchen in Gold“ ansehen dürfen, auch das „Nackte Mädchen mit Vogel“, gerade weil es das schnell entflogene, zarte Tier in den schützenden Händen hält. Wäre der Vogel fort, blieben ihr nur die Chimären der eigenen Fantasie, wie sie im „Traum des einsamen Fauns“ als unverhohlen lockende Frauengestalten dem Kopf des lüsternen Fabelwesens, Symbol ungehemmter sexueller Triebkräfte, entsteigen. Programmatisch erscheint, dass Hildebrandt sogar ihr Selbstbildnis noch in historische Formen gießt, sinnigerweise in die der Renaissance. Für ihr „Selbst - frei nach Piero della Francesca“ hat sie das bekannte Porträt der ins Profil nach rechts gewendeten Battista Sforza aus dem Diptychon des Grafen von Urbino mit den eigenen Zügen versehen. Mit der Strenge der Haltung und deren Fremdheit entrückt die Malerin sich selbst in geschichtliche Ferne und fordert den Betrachter, obwohl sie ihn nicht anblickt, zum wiederholten Hinsehen auf. Bei Piero blickt das Gegenstück eines Mannes die Frau an, und beide werden auf den Bildrückseiten in einem Triumphzug verherrlicht. Den muss sich Inge Hildebrandt aber nicht mehr malen. Ihre Arbeiten, die nur scheinbar Bekanntes berückend neu zu zeigen vermögen, sprechen für sich. Bis 29. Mai in der Galerie Burstert,Albrecht, Charlottenstr. 24. Di-Sa 11-18 Uhr. Kataloge zu 10, 15 und 20 Euro.

Götz J. Pfeiffer

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