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Kultur: Schicht um Schicht

Der Schweizer Knut Helms kopiert den Ungläubigen Thomas und hatte sogar Zuschauer dabei

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Folgt man dem Kunstwissenschaftler Knut Helms, sind eigentlich Kopien der Ausgangspunkt vieler Originale. Das ist weniger paradox als es scheint. Rubens kopierte Tizian, Delacroix wiederum Rubens, Liebermann einen Frans Hals. Durch sie erst kamen die „Alten Meister“ zu ihrem Wissen und Können.

Der gebürtige Schweizer Knut Helms nun ist freier Mitarbeiter der Gemäldegalerie Berlin – und selbst ein „Kopist“. Derzeit steht seine Staffelei in der Bildergalerie Friedrich II. vor Caravaggios Werk „Der ungläubige Thomas“. Hierher war am Wochenende auch die interessierte Öffentlichkeit gerufen, seinem Vortrag über Theorie und Praxis dieser fast vergessenen Kunst zu lauschen.

Als Exkurs zur Ausstellung „Kunst in den Neuen Kammern“ gedacht, kamen bis zu zwanzig Besucher. Ein Lob dem Personal, denn es „bewachte“ die separate Gruppe schier mit Argusaugen, Kontrolle muss eben sein.

Ja, Kopieren ist eine Kunst, von keiner technischen Reproduktion je zu erreichen oder gar zu ersetzen, denn diese erfasst nur die Oberfläche eines Werkes in einem bestimmten Moment. Malen hieß früher „Schichten“. Es setzte mehr Kenntnis voraus, als ein moderner „Originaler“ noch wüsste: Natur und Wirkung von Farben, die Grade ihrer Körnung, ihr Verhalten im Verbund mit Binde- oder Lösungsmittel, ihre Verwandlung durch Präparation, überhaupt die Kenntnis der Grundlagen dieser Materie.

Davon bot dieser zweistündige Sondervortrag zum Erstaunen des Publikums reichlichst. Knut Helms führte es von der ersten Grundierung der Leinwand, feinstes Stöffchen aus Belgien, gleichsam schichtweise bis zum jetzigen Stand seiner Arbeit, wo auf dunklem Grund bereits die Umrisse des ungläubigen Thomas erscheinen, welcher seinen Zeigefinger in die Seitwunde des Gekreuzigten bohrt.

Caravaggio hat das Ölbild um das Jahr 1600 gleichsam „mit“ der Natur gemalt, ihre Materie samt gewisser Geheimnisse garantieren die überzeugenden Wirkungen seiner Kunst: Erdfarben wie Umbra oder Zinnober, Lösungsmittel wie Leinöl und Terpentin, von den Harzen Mastix, vom Organischen Kohle aus Knochen, Rebholz und Datteln, von den Metallen alchimistisch bereitetes Bleiweiß und Grünspan, der ganz eigen behandelt sein will, vom Lebenden das Carmin der Conchenille. So wird der Rahmen (im Original mit „Grundierkante“, die Kopie soll stets etwas vom Originalformat abweichen) stets selbst gebaut, die Leinwand mit Leim von verquollenen Hasenfellen behandelt, mit Umbra und Bonusrot grundiert, um dann Schicht um Schicht aufzutragen, dass keine Farbe die andere deckt. Eine wirkt erst durch die andere: Mal komplementär, mal additiv, jedoch immer „lebend“. Das schafft keine technische Reproduktion. Viel altes Wissen gehört dazu, Geduld und Erfahrung. Dankbar ist man für jeden Trick – wenn man eine Ölschicht besser mit Händen verreibt oder Knoblauch verwendet, um Überschüssiges zu entfernen. Allein diese technische Arbeit verschaffen dem Künstler einen persönlichen Zugang zum Werk, mithin zur Kunst. Diese hohe Schule verfiel erst im letzten Jahrhundert.

Eine Kopie dieser Qualität ist kein Discount-Produkt, Kopieren kein Abklatsch, der Begriff „Alter Meister“ kein leeres Wort. Sie alle haben so angefangen. Mag Helms die heutige Wissenschaft auch zu sehr loben, so steht doch am Ende seines Hand-Werkes eine echte Kopie, ein Kunstwerk für sich, welches, zunehmend Käufer findet – Anerkennung also wie einst zur Potsdamer Königszeit.

Gerold Paul

Weitere Besichtigungen des Werkprozesses vom 13.-15. und 20.-22. August, jeweils 10 bis 18 Uhr.

Gerold Paul

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