Kultur: „Schimanski hat eine ganze Generation geprägt“
Am Donnerstag stellt Götz George seine Biografie in Potsdam vor – ein Gespräch mit dem Autor Torsten Körner
Stand:
Herr Körner, welche Fragen haben Sie angetrieben, als Sie das Projekt Götz-George-Biografie begonnen haben?
Schon bei meinen Biografien von Heinz Rühmann oder Franz Beckenbauer habe ich immer nach Fragen gesucht, die meinen persönlichen Wissensdurst stillen, die aber auch in Hinblick auf deutsche Geschichte und deutsche Kultur interessant sind. Ich wollte dabei immer von Menschen erzählen, die uns persönlich bewegen, die aber auch etwas im Land bewegt haben. So habe ich auch Götz George als jemanden beschreiben wollen, der Träume und Wünsche verkörpert, die viele Menschen mit sich rumtragen. Daran habe ich meine Fragen für die Biografie ausgerichtet.
Was ist an Götz George in Hinblick auf die deutsche Geschichte und die deutsche Kultur so interessant?
Götz George war sicherlich einer der den Deutschen Männer- und Körperbilder angeboten hat. Wir waren nach 1945 in vielerlei Hinsicht eine erschütterte und verunsicherte Nation. Götz George hat dann in den 80er Jahren mit dem Tatortkommissar Schimanski einen Typ geschaffen, der sich mit Autoritäten auseinandersetzte, sich dagegen auflehnte. Gleichzeitig verkörperte er eine Autorität. Er war attraktiv, aber auch gebrochen und bemitleidenswert. So bot Götz George ungeheuer spannende Körpergeschichten an. Das ist, wenn man die Karriere insgesamt betrachtet, auch für mich das Spannendste.
Der Körper von Götz George?
Götz George erzählte über den Körper unglaublich viel über die Seele und emotionale Verwicklungen seiner Figuren. Der Körper ist für ihn das Instrument, auf dem er spielt, wie es nur wenige andere Schauspieler können. Das ist nicht einfach nur ein Muskelkörper, das sind erschütterte, verschüchterte oder emotional beseelte Muskeln, die er in vielen Figuren gezeigt hat.
Besonders einprägsame Rollen Georges waren neben Schimanski unter anderem der Mörder Fritz Haarmann in „Der Totmacher“ oder der KZ-Arzt Josef Mengele in „Nichts als die Wahrheit“. Warum genügen uns diese schauspielerischen Ausnahmeleistungen nicht, wollen wir auch den Menschen Götz George kennenlernen?
Das ist doch ein allgemein menschliches Bedürfnis. Die Neugier treibt uns. Wir wollen wissen, was hinter der Maske des Schauspielers steckt. Da spiegelt sich einerseits die tiefe Sehnsucht wider, solche Menschen als Helden zu sehen, die größer sind als wir. Andererseits ist da auch immer der widerstreitende Wunsch, an diesem Helden menschliche Schwächen zu entdecken. Wir wollen beides haben. Das ist eine mitunter unselige Doppelbindung, mit der alle Stars zurecht kommen müssen.
Woher kommt bei Ihnen dieses so intensive Interesse an dem Schauspieler und Menschen Götz George?
Die Schimanski-Figur war ganz wichtig für mich. Für meine mediale Sozialisation und auf der Suche nach Vorbildern war Götz George für mich so prägend wie für viele andere meiner Generation. Ich bin jetzt 43 und die 80er Jahre waren mein Jahrzehnt. Und Schimanski war einer der Helden in diesen Jahren. Dadurch war mir Götz George schon immer sehr nah. Damals hätte ich aber nie gedacht, dass ich mich irgendwann mal mit ihm professionell beschäftigen würde. Das begann vor drei, vier Jahren, als ich auf der Suche war nach einem Kandidaten für eine neue Biografie.
Wie hat Götz George darauf reagiert, als er erfuhr, dass Sie eine Biografie über ihn planen?
Der hatte anfangs überhaupt keine Lust. Ganz im Gegenteil, der ist sogar davor geflohen. Ich musste erst einmal Freunde in seinem Umfeld gewinnen, die ihn dann überzeugten, ja regelrecht gezwungen haben, meine Bücher zu lesen. Die Freunde haben ihm gesagt, dass ich es auch ohne ihn machen würde, also wäre es doch besser, wenn er da mitspielt.
Das klingt fast nach Erpressung?
Nein, er hat meine Bücher gelesen, fand die gut und hat sich darauf eingelassen.
Wie weit können Sie sich als fremder Mensch, dem als Biografen auch immer eine gewisse Skepsis entgegengebracht wird, überhaupt einem anderen Menschen und seinem Leben annähern?
Da ist natürlich immer die Grenze, die zwischen allen Menschen bleibt. Als Biograf habe ich aber den Vorteil, dass ich professionell zu Werke gehe, also Zeiten und Geschehnisse zu Tage fördere, die der Betreffende längst vergessen hat. Ich kann mit Menschen reden, die ihn vor 40 oder 50 Jahren gekannt haben und die er selbst schon lange aus den Augen verloren hat. Ich kann mir diesen Menschen sozusagen archäologisch ein Stück weit zusammensetzen und ihn dann mit Kenntnissen konfrontieren, auf die er überrascht reagiert. So kommt man dem Menschen sehr nahe und kann auch intime Blicke auf ihn werfen.
Sie haben Götz George für Ihr Buch drei Jahre lang begleitet und beobachtet. Wie müssen wir uns dabei die Arbeit des Biografen Torsten Körner vorstellen?
Wenn man bedenkt, dass Götz George zuerst gar nicht wollte, war er, als er sich dann darauf eingelassen hat, sehr diszipliniert bei der Sache. Da er vorwiegend auf Sardinien lebt, hat er sich immer regelmäßig bei mir gemeldet, wenn er in Berlin war. Dann bin ich zu ihm raus an den Schlachtensee gefahren und dort haben wir uns dann lange unterhalten. Diese Interviews haben meist zwei Stunden und länger gedauert.
Wobei diese Interviews allein kaum ausreichen.
Nein, das war das Rüstzeug. Ich habe mir natürlich alle seine Filme angeschaut, bin in alle Archive gegangen, die irgendwelche ihn betreffenden Korrespondenzen haben, habe mir die Nachlässe seiner Eltern, Heinrich George und Berta Drews, in der Berliner Akademie der Künste, angeschaut. Ich habe Freunde von ihm aufgesucht, Schauspieler, Regisseure. Das ganz normale Handwerkszeug eines Biografen. Dann habe ich alle Scherben, alle Bruchstücke, alle Perspektiven zusammengesetzt und versucht, ein rundes Bild des Menschen Götz Georges abzuliefern.
Aus Ihrer Biografie spricht viel Sympathie für den Menschen Götz George. Das könnte den Vorwurf provozieren, Sie sind nicht kritisch genug.
Diese journalistische Herangehensweise stört mich grundsätzlich bei der Beurteilung von Biografien. Da gibt es nur den Jubel oder die Kritik. Meine Methode ist eine andere. Ich will den Menschen weder verherrlichen, noch will ich ihn kritisieren. Mir steht beides nicht zu. Ich versuche, einem Menschen so nahe wie möglich zu kommen, in dessen Denken und Leben mich vorzutasten und das dem Leser dann anzubieten.
Was nicht zwangsläufig eine kritische Haltung des Biografen ausschließen muss.
Der Leser soll entscheiden, ob der Mensch ihm sympathisch ist oder unsympathisch. Die Chance, diesem Menschen nahe zu kommen, ist größer, wenn ich mich bei meiner Arbeit nicht von solchen gängigen Schablonen wie Jubel oder Kritik leiten lasse. Welche Berechtigung hätte ich denn, das Leben eines anderen zu korrigieren? Das halte ich für einen vermessenen Anspruch an eine Biografie. Da hilft es immer, sich unser eigenes Leben in seiner Fehler- und Lückenhaftigkeit zu betrachten.
Hat sich Ihr Bild von Götz George während der dreijährigen Arbeit an der Biografie verändert?
Mein Bild von Götz George hat sich auf jeden Fall differenziert. Ich kannte ihn bis dahin ja nur als Medienheld. Jetzt habe ich einen scheuen und sehr sensiblen Menschen kennen gelernt, der zwar in der Öffentlichkeit gern lautstark auftritt aber im Grunde jedoch ein sehr leiser und nachdenklicher Mensch ist. Aber was wir über ihn aus den Medien erfahren, ist oft nur verkürzt.
Hat Götz George während des Schreibens Einfluss auf die Biografie nehmen können?
Ich habe ihm während des Schreibprozesses immer mal wieder 50 bis 60 Seiten gegeben und wenn er die gelesen hatte, haben wir darüber diskutiert. Wobei das relativ einfach war, denn er hatte keine großen Änderungswünsche oder wollte, dass ich ihn anders darstelle. Da wäre auch für mich der Punkt erreicht gewesen, an dem ich nicht mehr mitgemacht hätte. Wir haben immer gemeinsam einen guten Weg gefunden. Und man muss auch bedenken, dass dies ja nicht sein Buch ist, das er sich gewünscht und in Auftrag gegeben hat. Aber ich habe den Eindruck, dass er sehr glücklich damit ist.
Dafür spricht auch das Zitat: „Der Autor Torsten Körner weiß viel mehr über mich als ich selbst. Der gibt mir ein neues Leben.“ Obwohl „ein neues Leben“ vielleicht doch etwas übertrieben klingt?
Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, kann ich mich nicht unbedingt daran erinnern, was ich vor 20 Jahren gemacht habe. Aber wenn sich jemand daran macht, über einen anderen Menschen ein Buch zu schreiben, die Stationen in dessen Leben zurückverfolgt und die einzelnen Bilder zusammensetzt, ist das so, als würde er dem anderen einen Spiegel vorhalten. Diesen Lebensspiegel habe ich nun Götz George vorgehalten. Ob er mit dem was er sieht einverstanden ist oder nicht, er muss sich damit auseinandersetzen. In diesem Sinne gebe ich ihm ein neues Leben. Das Lustige daran ist, dass Franz Beckenbauer genau denselben Satz gesagt hat, nachdem er mein Buch über sein Leben gelesen hatte.
Wie hat sich Ihr Verhältnis zum Menschen Götz George durch die Arbeit an seiner Biografie verändert, ist daraus vielleicht sogar eine Freundschaft geworden?
Ja, absolut. Das würde ich jetzt nicht sagen, wenn Götz George es nicht selbst in der Öffentlichkeit gesagt hätte. Da ist ein sehr angenehmes, vertrauensvolles und freundschaftliches Verhältnis entstanden, das auch weiter besteht.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Götz George und Torsten Körner stellen am Donnerstag, um 20 Uhr, im Filmmuseum Potsdam das Buch „Götz George. Mit dem Leben gespielt“ (Scherz-Verlag 2008, 480 Seiten, 19,90 Euro) vor. Modseration: knut Elstermann. Die Veranstaltung ist ausverkauft.
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