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Kultur: Schmachtfetzen und echte Reißer

Die 12 Tenöre sangen sich im Nikolaisaal durch Highlights aus Klassik, Folklore, Pop und Rock

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Nicht ein Tenor kam am Mittwochabend auf die Bühne des Nikolaisaals, auch nicht drei, fünf oder zehn Sänger der gern gehörten Stimmgattung. Ein ganzer Männerchor wurde von den Zuhörern, zumeist Frauen, herzlich begrüßt, denn in Potsdam sind Die 12 Tenöre keine Unbekannten. Wer sie zum ersten Mal jedoch erlebte und Namen erwartete, die in der Opernwelt einen gewissen Glanz haben, wurde enttäuscht.

Die zumeist jungen Sänger aus den USA, aus Großbritannien, Polen sowie aus Deutschland tingeln fast jeden Abend durch die Bundesrepublik. Bisher 75 Konzerte haben sie seit Ende November in großen und kleinen Städten absolviert. Gewiss eine Auftrittstortur. Sie birgt die Gefahr, die Stimmen zu überfordern. Aber erstaunlich war es, dass die zwölf den sängerischen Belastungen im Nikolaisaal weitgehend standhielten, mit viel bemühtem Heldentum und einer gewissen Nonchalance.

Doch bei den dargebotenen Klassik-Titeln mit melodienseligen Schmachtfetzen in zumeist kitschigen Bearbeitungen offenbarten sich dann doch unüberhörbar Schwächen. Zwar sangen die Tenöre das Trinklied aus Giuseppe Verdis „La Traviata“ mit Schmiss, die Arie des Calaf „Nessun dorma“ aus Giacomo Puccinis „Turandot“, sowie „Dein ist mein ganzes Herz“ aus „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehár voller Rührung und das O Fortuna aus „Carmina burana“ von Carl Orff mit kraftvoller Emphase, doch zu viele Töne wurden dabei nach Leibeskräften in die Höhe gestemmt, sodass man ständig Angst hatte, einige Stimmen würden in den nächsten Sekunden kippen. Auch die immense Lautstärke der Tonübertragung konnte das Manko nicht verheimlichen.

Die 12 Tenöre müssen an einem Abend musikalisch auf mehreren Hochzeiten tanzen. Da ist stilistische Vielseitigkeit gefragt. Und die beherrschen sie fraglos. Neben der Klassik singen sie Folklore, Pop- und Rocktitel. Aber nur deren Highlights. Es wäre reizvoll, wenn die Sänger zwischendurch mit dem Publikum eine Reise ins Unbekannte machen könnten. Für Experimente scheint man aber keine Zeit zu haben. Die Show und das Tempo müssen stimmen. Und beides gelang den Sängern im Großen und Ganzen gut. Bestens verstehen sie zu unterhalten, auch mit dem geschmackvollen tänzerischen Bewegungsvokabular, das von Claire Cassidy einstudiert wurde. Jeder Titel wird individuell choreografiert. Dazu kommt die perfekte Beleuchtung.

Natürlich darf jeder der zwölf Sänger auch solistisch an den Bühnenrand treten, der eine mehrmals, der andere weniger. Doch als Männerchor sind sie wirklich Klasse, da haben sie Star-Qualitäten. Besonders bei den Reißern und Klassikern der Schlager- und Popgeschichte, bei „Thriller“ von Michael Jackson, „You Raise Me Up“ von Josh Groban, bei „Imagine“ von Jack Lennon oder bei Queens „We will rock you“. Deutsches Repertoire gibt es nur mit dem Comedian-Harmonists-Hit „Veronika, der Lenz ist da“. Von den Italienern werden neben den Opernarien zwei berühmte neapolitanische Volkslieder gesungen. „O sole mio“ als witziger Sängerwettstreit dargeboten, war dann auch der Renner beim Publikum. Charmant und kunstvoll wurde das alles gesungen, unterstützt von dem farbig musizierenden und sich nie in den Vordergrund drängendem Instrumentaltrio mit Keyboard (Sergey Kustov), Piano (Edgar Wiersocki) und Drums (Zeus C. Machina).

Die 12 Tenöre gehen mit Moderator Alexander Herzog auf Reisen, mit seiner Körperfülle sticht er die Kollegen aus und versucht als Kasper das Publikum zum Applaudieren zu animieren. Das ist aber gar nicht nötig, denn es wurde sowieso mit Begeisterung geklatscht und gejohlt, was das Zeug hielt. Natürlich waren Zugaben im Konzert inbegriffen. Klaus Büstrin

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