Kultur: Schmunzeln
Erich-Kästner-Nachmitatg in der Kirche von Satzkorn
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Warum an den für sich selbst stehenden Dörfern wie Kartzow oder Satzkorn „Potsdam“ dransteht, versteht wohl nur die städtische Bürokratie. Aber sei''s, hier wie da behaupten wenigstens die Kirchen noch ein Quäntchen Autonomie. Jene in Satzkorn wurde bereits im 13. Jahrhundert gegründet. Der rechteckig verbretterte Turm stammt ebenso aus späterer Zeit wie vier Sandsteinstelen im Entree oder der Schnitz-Altar von 1669. Innen ist alles frisch renoviert, außen findet man unter mächtigen Eichen rundherum Gräber, wie es sich gehört. Eine Tafel am Bau weist in goldenen Lettern die gut gepflegte Erb-Begräbnisstätte der Familie Brandhorst aus.
Regelmäßige Gottesdienste und ein reges Gemeindeleben kann man von der Schautafel ablesen, sogar ein „Bibelfrühstück“ wird angeboten. Hier nun versammelten sich am Sonntag etliche Gäste aus nah und fern zu Satzkorns „Dorfkirchensommer“, welcher freilich nur aus einer Veranstaltung besteht. Mehr ist seit vier Jahren im Fahrländer Sprengel aus Kostengründen nicht drin. Guter Besuch trotz alledem, denn die rührige Gemeinde versprach eine Erich-Kästner-Lesung mit der Berliner Schauspielerin Reha Hinzelmann, welcher der gleichfalls hauptstädtische Musiker Friedemann Graef auf seinem Sopran-Saxophon Selbstkomponiertes dazugab, kurze, heitere Sachen im Stil von Jazz, Song oder Tango. Heiteres und Nachdenkliches von „Kästners erstem ,Pünktchen“ am Theater 1952“ war diese einstündige Veranstaltung geheißen, und nicht selten stellte sich bei seiner selbst ernannten „Gebrauchs-Lyrik“ im vollbesetzten Gestühl ein allgemeines Schmunzeln ein. Erich Kästner (1899-1974) war nie jedermanns Sache. In vermeintlich revolutionären Zeiten stellte man den erklärten Nonkonformisten gern in die „kleinbürgerlich-demokratische“ Ecke. Von „literarisch konfektioniertem Unbehagen“ war die Rede, indes man sein Berufs- und Veröffentlichungsverbot durch die Nazis respektieren musste.
Aber die Kinder lieben „Anton und Pünktchen“, das „Doppelte Lottchen noch immer. Sein lyrisches Werk beschreibt tatsächlich mit heiterer Ironie das Leben. Erst aus der Distanz erkennt man manchmal, dass sich zwischen „damals“ und heute gar nicht so viel verändert hat. Wenn etwa die Zeit Auto fährt, hört man „die Konten reden, aber die Bilanzen schweigen, „die Menschen sperren aus. Die Menschen streiken. Der Globus dreht sich. Und wir drehn uns mit“.
Sein Gedicht um den synthetisch produzierten Zeitgenossen ist hoch aktuell, und „schon damals“ ging alles bunt durcheinander: Männer trugen Frauenkleider, Frauen zogen Smokings an. Beim „Maskenball im Hochgebirge“ lässt der Autor gar einen ganzen Schock Bürgerlicher von einer Lawine verschütten, indes den „Besuch vom Lande“ der Berliner Verkehr überrollt. Ohne Herzgrimmen schreibt man so nicht.
Die so schön gelesenen Gedichte über ein vereinsamtes Mütterlein könnten dem Autor selbst gelten. Dies alles wurde von Reha Hinzelmann mit lakonischem Witz vorgetragen, dann gab es gegen einen Obolus guten Kuchen und Kaffee – „Dorfkirchensommer" in Potsdam also! Gerold Paul
Gerold Paul
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