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Kultur: Schmutzfinken ...

Das Zusatzkonzert von Knorkator am Donnerstag im Lindenpark: Ein bizarrer Abend mit Brot und Laub

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Drei Meter hoch steht er auf einer Box und springt. Knorkator-Sänger Stumpen fliegt nach unten und rollt sich sportlich perfekt ab. Das Publikum johlt. Und Stumpen strahlt über beide Backen, tollt weiter über die mit Laub übersäte Bühne. Prädikat: Wahnsinnig. Knorkator wirken völlig losgelöst bei ihrem Zusatzkonzert am Donnerstag abend im Lindenpark – obwohl nur rund 300 Besucher da sind, die aber feiern, als wäre der Saal so ausverkauft wie beim zweiten Gig der Berliner Band am gestrigen Abend.

Dabei fängt alles fast harmlos an. Pi, benannt nach der berühmten Zahl, sind die Anheizer. Da sich zu der Zeit erst knapp 200 Leute großflächig im Lindenpark verteilen, stellt Co-Knorkatorsänger Alf Ator vorher eine Bedingung: „Wenn ihr nicht richtig jubelt, spielen wir nicht.“ Übel nimmt ihm die gespielte Arroganz keiner. Und der Applaus fällt nicht schwer. Denn die Dresdner von Pi, die sich offiziell als Finnenrocker im Genre des „Brutal Finnish Porncore“ ausgeben, machen ihre Aufgabe richtig gut, spielen eine abwechslungsreiche Mischung aus Rock, Alternative und ein wenig Metal. Mittelpunkt der Truppe ist die zierliche Sängerin Claudia, die mit variabler Stimme und ihren mädchenhaften Pippi-Langstrumpf-Grimassen den Saal verzaubert. Obwohl sie einen furchtbar blau-weiß karierten Rock trägt. Doch der Rest der Band hat sich vergleichbare Modeverbrechen als Kleidung ausgesucht – etwa der Gitarrist in seinen viel zu weiten, viel zu bunten Hosen

Doch gegen die bizarre Kleiderwahl von Knorkator wirken Pi völlig gewöhnlich. Stumpen und Alf Ator kommen nur in halbkurzen weiten Jeans mit Hosenträgern und bunten Fransen auf die Bühne. Doch Stumpen ist selbst dieses luftige Outfit zu warm, was wohl auch an seinen zahlreichen Untertrikotagen liegt: Denn als er die Hose abwirft, befindet sich darunter ein neongrünes Puschelröckchen. Später ist auch das Stoffteil weg, ein enganliegender Schlüpfer spannt sich unter dem Bierbauch. Auf der Unterhose steht: „Kurz und klein.“

Knorkator scheren sich nicht um guten Geschmack. Sie verkaufen T-Shirts mit Aufschriften wie „Ich verachte Jugendliche“, sie spielen Songs mit Namen wie „Ich will nur fickn“ oder „Schmutzfink“. Eine von den Fans gern gesungene Refrainzeile lautet: „Ich bin ein ganz besonderer Mann, der mit dem Arschloch essen kann“ Knorkator pendeln ständig auf diesem schmalen Grat zwischen absolutem Schwachsinn und witzigem Nonsens. Ihr Konzept funktioniert, weil sie ähnlich wie Helge Schneider so übertrieben grotesk wirken, dass Gedanken über Geschmacksgrenzen gar nicht erst aufkommen.

Zu den lyrischen Ergüssen hämmert Metal-Sound, deftiger und einfach gestrickter Uffta-Uffta-Rock zum Feiern und Biertrinken. Dazu besitzen Knorkator eine Affinität zu ohrwurmenden Evergreens: In ihrem Programm finden sich Coverversionen von so bekannten Hits wie „My Baker“ von Boney M, „Geh zu ihr“ von den Puhdys oder „All that she wants“ von Ace Of Base. Stumpen interpretiert die Nummern mit seiner ausgebildeten Sängerstimme, die manchmal hoch bis zur Schmerzgrenze schrillt.

Die Menge tobt und schwitzt. Fast zwei Stunden lang. Den Spannungsbogen ihrer Show können Knorkator auch deshalb halten, weil sie auf ihre Fans eingehen und ihre Auftritte immer möglichst bizarr gestalten. So holt Stumpen drei blaue Müllsäcke mit Laub auf die Bühne und wirft das Zeug über seine Fans. Kurz darauf bringt er einen Pappkarton an: die enthaltenen Kuchenböden und Weißbrotscheiben landen ebenso bei den Zuschauern. Am Ende aller Kapriolen, kurz vor dem finalen „Ich hasse Musik“, will Stumpen es noch einmal genau wissen. „Meint ihr, dass ihr für das Unterhaltungsprogramm nicht umsonst bezahlt habt“, fragt er. Das Publikum schreit, eine Scheibe Brot fliegt nach vorn. Nur der Aufräumdienst dürfte in diesem Moment nicht begeistert gewesen sein.

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