Kultur: Schnitzeljagd „Klaviergipfel“ mit dem Neuen Kammerorchester
Soll das nun ein Happening, eine Castingshow, ein Wettbewerb oder eine Patchwork-Unternehmung à la Klassik-Radio sein? Bei diesem „Klaviergipfel“, den das Neue Kammerorchester Potsdam (NKOP) und sein Dirigent Ud Joffe am Mittwoch im Nikolaisaal veranstaltet haben, lässt sich viel über Sinn oder Unsinn von Häppchenkost und ihrer entsprechenden Darbietung nachdenken.
Stand:
Soll das nun ein Happening, eine Castingshow, ein Wettbewerb oder eine Patchwork-Unternehmung à la Klassik-Radio sein? Bei diesem „Klaviergipfel“, den das Neue Kammerorchester Potsdam (NKOP) und sein Dirigent Ud Joffe am Mittwoch im Nikolaisaal veranstaltet haben, lässt sich viel über Sinn oder Unsinn von Häppchenkost und ihrer entsprechenden Darbietung nachdenken. Unter dem Motto „Alles Beethoven“ segelt das sinfonische NKOP-Vorhaben unter mehrfacher falscher Flagge. Junge Pianistinnen, drei aus China und eine aus Israel, sollen Beethovensche Klavierkonzerte spielen. An einem Abend. Doch nicht alle fünf, sondern nur die Nummern drei und vier. Weil sich das erste und zweite Konzert noch stark an Haydn und Mozart orientierten, seien sie noch nicht typisch für Beethovens sinfonischem Konzerttyp und deshalb weggefallen, verkündet Christian Seidel, Vorsitzender vom Trägerverein des NKOP. Eine ziemlich anmaßende Begründung für diese Selektion, mag sich mancher Hörer denken. Doch in deren langsamen Sätzen ließe sich viel über die Entwicklung von Beethovens gefühlsinnigen Emotionen erfahren. Demzufolge sind sie nun, sozusagen als Dopplereffekt, in die Satzfolgen des 3. und 4. Konzertes eingeschoben, begründet Joffe, der zudem die Moderation des kurzfristig absagenden Klassik-Radio-Plauderers Holger Wemhoff übernommen hat, die Dramaturgie. Nun hat man also acht Sätze zur Verfügung, in denen die vier Pianistinnen bei zweimaligen Auftritten ihr Können zeigen. Doch wie sollen sie dabei Werkstrukturen, thematische Entwicklungen, motivische Veränderungen deutlich machen? Aus ihrem Kreis soll das Publikum per verwirrendem Wahlmodus jene Solistin küren, die beim 4. Sinfoniekonzert im Juni mit dem 5. Konzert den „Klavierolymp“ erstürmen darf.
Was den Puzzle-Abend auszeichnet, der einer Schnitzeljagd von Pfadfindern im Notenmischwald gleicht, sind Momentaufnahmen vom künstlerischen Leistungsstand der Pianistinnen. Als Erste nimmt Yunyi Qin vorm Steinway Platz, um das Solo des ersten Satzes des zwischen Leidenschaft und Leichtigkeit pendelnden 3. Konzerts zu spielen. Technisch vorzüglich und kraftvoll ist ihr Anschlag, brillant der Klang, jedoch ausdrucksarm. Weitgehend farblos, ohne Wärme und Geschmeidigkeit sorgt auch die Orchesterbegleitung für eine eher analytisch-nüchterne Lesart. Später deutet Qin das Andante des 4. Konzertes voller Innigkeit aus. Dessen schwebend-rhapsodischen Einleitungssatz mit dem verträumten Thema dichtet sie ganz weich und gefühlsinnig, aber auch tastenflink einprägsam nach. Zuvor hatte bereits Einav Yarden dem Largo des 3. Konzerts mit singendem Tonfall und reich differenziertem Anschlag dessen Schönheit enthüllt. Schade, dass das Orchester auch hierbei seinem wenig wandlungsfähigen Spiel treu bleibt. Das Largo aus dem 1. Konzert tastatiert Miao Huang als schlichte, liedhafte Betrachtung, während sie im Final-Rondo des 4. Konzerts temperamentvoll auftrumpfen kann. Solcherart stürzt sich auch Gehui Xu als weitere Staffelstabübernehmerin ins Rondo-Getümmel des 3. Konzerts, das sie mit kapriziöser Fingerfertigkeit absolviert. Die träumerische Adagio-Variation des 2. Konzerts spielt sie eher nüchtern und verhalten. Und die Siegerin? Wird keinesfalls, wie versprochen, am Abend verkündet, sondern später in der Presse veröffentlicht. Was also sollte das ganze Brimborium? Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: