Kultur: „Schön für Sie“
„Hedwig Bollhagen – ein Leben für die Keramik“ im Kutschstall
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Auf einem großformatigen Foto sind die Marwitzer Keramikerin Hedwig Bollhagen und die Geltower Weberin Henni Jaensch-Zeymer gemeinsam zu sehen. Zwei Altmeisterinnen in ihrem Fach und beide erreichten ein biblisches Alter. Hedwig Bollhagen kam des öfteren in das Weberhaus nach Geltow, vor allem zu den dort von Henni Jaensch-Zeymer veranstalteten Privatkonzerten. Die Gäste, die sich dort einfanden, erzählten schon am Hoftor ganz geflissentlich, heute sei HB dabei. Es wirkte so, als ob man in ihrer Gegenwart zu schweigen, sie ganz ehrerbietig zu begegnen habe. Doch HB, die vielleicht auf dem ersten Blick durch ihre streng nach hinten zu einem Knoten gekämmten Haaren und der klar strukturierten Kleidung zunächst spröde wirkte, war von einer ganz unverkrampften Herzlichkeit, sie freute sich an der Musik, war rege und aufmerksam in den vielfältigen Gesprächen, ihre Anmerkungen wusste sie kräftig zu würzen. Auch zwischen ihr und Hermann Göritz, dem Altmeister der Gartengestaltung, muss es inspirierende Gespräche gegeben haben. Von ihm stand der schöne Text über die Marwitzer Keramiken: „Es gibt Gefäße für Blumen / gewiss / eine Unmenge / bunt, gemustert, mit Bildern / mit Dekor und wertvollen Glasuren / rund, eckig, nie dagewesene Formen / überlegt, gut ausgedacht / es gibt auch empfundene / schlichte, selbstverständliche Formen / dienende Formen / den Blumen dienend / solche meint HB“.
Mit einer umfangreichen Retrospektive im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (Kutschstall) wird seit gestern Abend Hedwig Bollhagen (1907-2001) anlässlich ihres 100. Geburtstages gewürdigt, als Künstlerin, als Unternehmerin und Privatperson. Kulturstaatsminister Bernd Neumann eröffnete die Schau. Bis Januar 2008 wird auf zwei Etagen eine Ausstellung mit 700 Exponaten gezeigt, die durch ihre kenntnisreiche Präsentation und gestalterische Klarheit sehr beeindruckt (Kuratorin: Gudrun Gorka- Reimus, Gestaltung: Enrico Oliver Nowka).
Die Arbeiten der HB – sie wurde und wird wegen ihrer Initialen so genannt – seien einfach genial, weil sie so genial einfach sind, sagte Brandenburgs Kulturstaatssekretär Johann Komusiewicz bei der gestrigen Pressebesichtigung. Er freue sich, dass nach dieser großen Schau die Landeshauptstadt ab kommendem Jahr eine ständige Ausstellung über Hedwig Bollhagen im Museumshaus „Im Güldenen Arm“ einrichten will. Für dessen Zustandekommen hat sich Potsdams Stadtkonservator Andreas Kalesse verdient gemacht. Nur warte man von der Stadtverwaltung bedauerlicherweise, so der Staatssekretär, auf ein endgültiges Ja.
Die Entwicklung der keramischen Formen und Dekore können die Besucher in thematischen Blöcken entdecken. Auf Podesten und in Vitrinen werden Klassiker der Gebrauchs- und Zierkeramik, Fliesen-Ensembles als Teil der Baukeramik sowie unterschiedliche Dekore ausgestellt. Darunter ist auch das wohl bedeutendste Exponat, eine nur wenige Zentimeter hohe Vase, für die Hedwig Bollhagen 1937 auf der Pariser Weltausstellung die Goldmedaille erhielt. HB hat sich in ihren Werkstätten auch immer wieder mit großer Intensität den denkmalpflegerischen Erfordernissen zugewandt.
Zu sehen sind in der Ausstellung Fotos, Filme und auch das Skizzenbuch der Keramikerin. Auch langjährige Weggefährten kommen mit ihren Arbeiten „zu Wort“: Der Maler Charles Crodel, der Bauhaus-Künstler Werner Burri und Heidi Manthey, die heute die künstlerische Leiterin der HB-Werkstätten in Marwitz ist. Die Atmosphäre dieser Werkstätten und der privaten Räume der Künstlerin werden mit Möbel, privaten Gegenstände Hedwig Bollhagens und großflächige Reproduktionen von Fotos nachempfunden. Außerdem wird über die Geschichte der 1934 gegründeten Werkstätten informiert, in dem sich ein Stück Zeitgeschichte offenbart.
Vor Hedwig Bollhagen gründete 1923 die Keramikerin Margarete Heymann-Loebenstein auf dem Marwitzer Gelände Werkstätten für künstlerische Keramik. Die Weltwirtschaftskrise hat der Künstlerin jedoch keinen finanziellen Erfolg beschieden. Auch nach nach der Machtergreifung Hitlers gin g es ihr, trotz künstlerischer Erfolge, nicht besser. Sie war Jüdin. Am 1. Juli 1933 stellte sie die Produktion ein. Sie wurde von Mitarbeitern als Staatsfeindin denunziert. Margarete Heymann-Loebenstein floh nach Bornholm und verkaufte den Betrieb an Heinrich Schild, einem Freund von Hedwig Bollhagen. Und so wurden die HB-Werkstätten im April 1934 gegründet. Über die Firmengeschichte kann man sich auch in dem sehr lesenswerten Begleitbuch zur Ausstellung in formieren. Es wartet mit Details auf, die eine Ausstellung nicht bieten kann.
HB sagte einmal: „Es war mein Bestreben, keine modischen Schlager, sondern einfache Dinge zu machen.“ Ihre Arbeiten gelten nach wie vor zu den Klassikern.
Im Geltower Privatkonzert bei Henni Jaensch-Zeymer wollte eine Dame ein Gespräch mit Hedwig Bollhagen beginnen: „Sie können aber coole Tassen und Teller herstellen.“ Darauf die Marwitzer Künstlerin: „Schön für Sie“.
Bis 13. Januar 2008, Kutschstall, Di-Fr 10-17 Uhr, Sa-So 10-18 Uhr, Begleitbuch 24,50 Euro.
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