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Kultur: Schöne heile Bilderwelt

Ein weiteres Buch über unsere Stadt

Stand:

Vor gar nicht langer Zeit hatte die Autorin und Journalistin Astrid Hoffmann noch „Zeit zu verschenken“. So jedenfalls nannte sie ihre liebenswerte Geschichten- und Anekdotensammlung, die auf ihren vielen Reisen durch das Brandenburgische Land zustande gekommen war. Mit dem Bändchen „Wir Potsdamer“ empfahl sich die Ex-Berlinerin ihren neuen Hausgenossen schon früher. Nun legt sie gemeinsam mit der Fotografin Birgit Kramer-Koschies einen dreisprachigen Farbbildband über die „Parkstadt Potsdam“ vor. Formal läuft dieses Prachtstück unter der Rubrik „Bücher für Ihre Stadt“, verlegerisch ist es wohl eher ein Schnellschuss. Nicht sehr freundlich, aber so sagt man, wenn es irgendwie an Substanz zu mangeln scheint.

Wäre dieses Buch mit dem Titel „Potsdam. Ein Bildband in Farbe“ ein paar Jährchen früher erschienen, so hätte man diese Neuerscheinung bestimmt ganz ordentlich geheißen. Heute ist die Preußenresidenz von immerfreundlichen Seh- und Gehanleitungen für Touristen und Einheimische geradezu überschüttet. Die Autorinnen hätten das eigentlich wissen müssen, als sie ihre Schönwetterfotos zusammenstellten. Für wen? Sicher für Leute, die sich an Hochglanzfotos erfreuen und dabei, mit Verlaub, vielleicht sogar zu faul sind, ein paar informative Texte in deutsch, englisch oder französisch zu lesen. Würde jemand sagen, das könne man sich eigentlich auch sparen, so wäre das auch nicht ganz falsch: So erfährt man beispielsweise zum Bild der Babelsberger Friedrichskirche nichts anderes, als dass dort 1989 Vielhundert dem „Neuen Forum“ gelauscht haben sollen.

Astrid Hoffmann und Birgit Kramer-Koschies bieten in „Parkstadt Potsdam“ dem völlig unbedarften Potsdam-Touristen mehrere Augen-Touren an, so vom Alten Markt aus durch die Innenstadt, Park Sanssouci mit Schloss Sanssouci, Holländisches Viertel und Alexandrowka, Babelsberg mit Flatow-Turm und Glienicker Brücke. Standard eben, durch hübsche Detail-Fotografien ordentlich und wohlmeinend aufgemotzt.

Wenn man dieses Werk durchblättert, könnten einem ob so viel heimatlicher Schönheit glattweg die Tränen kommen: idyllische Blumenrabatten bei den Römischen Bädern, eine vor lauter Fußvolk kaum erkennbare Brandenburger Straße, Fischeridyll am Tiefen See, Blick vom Strandbad Babelsberg auf die Häuserfront der Berliner Straße, als ob man am Lago Maggiore wäre, die im Herbstlaub verborgene Villa am Griebnitzsee, das Fortuna-Portal mit Blick auf die Havel, natürlich ohne das störende Hotel „Mercure“. Dass Potsdam so unverwundbar schön ist, dürfte selbst alten Potsdamern neu sein! Kurz: Dieses Buch präsentiert Schönwetter-Fotos in größeren Formaten mit anspruchslosen Texten und für die Unbedarftheit von Touristen.

Die vor Jahren erschienene dickleibige Bewerbung Potsdams als Kulturhauptstadt Europas 2010 ist gegen diese Hochglanz-Parade die reine Offenbarung an Aufrichtigkeit. Dort sparte man die weniger schönen Seiten der Stadt nicht aus, das soziale Gesicht der Vorstädte, das fremdländische Flair aus dem Schlaatz! In diesem polyglotten Bildband hier aber ist alles schön. Wunderschön. Unglaublich schön! Ach, schon wieder Tränen!

Ob nun St. Peter & Paul neuerdings mit Gründungsdatum 1718 vom Soldatenkönig gebaut worden oder die Biosphäre tatsächlich „die größte Tropenhalle Europas“ sei, wie in den Kurztexten behauptet, mögen die Weisesten entscheiden. Unsereiner sieht in diesem Buch nur immer den ständig blauen Himmel über der Stadt und die nagelneue Historien-Architektur darinnen. Bilderbuch Potsdam eben, wie zu sehen es gefällig wäre. Wem das genügt, wird an diesem Opus die hellste Freude haben. Der eingeweihte Rest reagiert wohl eher verschnupft.

Birgit Kramer-Koschies und Astrid Hoffmann: Potsdam. Ein Bildband in Farbe, Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen 2011, 15.90 Euro

Gerold Paul

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