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Kultur: Schöne Welt

Ein Theater-Märchen, das Spaß macht: Gestern hatte „Zwerg Nase“ Premiere

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Eigentlich ist man von Anfang an auf Jacobs Seite. Man hätte den schlaksigen, frechen Jungen mit der blauen Hochwasserhose und den roten Haaren nicht wirklich so hart bestrafen müssen, um ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. „Braune Hände“, „ungezogenes Weib“, hat er zu der unheimlichen Alten gesagt, die auf dem Markt am Stand seiner „Mutti“ skeptisch das Obst und Gemüse befingert, ohne zunächst etwas kaufen zu wollen. Eine überdimensionale Nase, einen zum Zwerg geschrumpften Körper und sieben Jahre putzen und kochen in Gefangenschaft der Kräuterfee hat er sich damit eingehandelt. Doch am Ende bringt ihm der reichlich übertriebene Denkzettel dann doch noch Glück.

Volles Haus in der Reithalle A in der Schiffbauergasse zur Premiere des neuen Kinderstücks des Hans Otto Theaters: „Zwerg Nase“ nach dem Märchen von Wilhelm Hauff. Alexander Gruber hat die Geschichte für das Theater bearbeitet, Regie führt als Gast Herbert Olschok.

Von dem Augenblick an, als der Erzähler Peter Pauli auf die Bühne tritt, ist das Publikum gefesselt. Ganz sanft, fast unmerklich, übernehmen die nach und nach auftretenden Figuren die Geschichte. Ein gelungener Einstieg. Und, das sei vorweggenommen, eine insgesamt gelungene Inszenierung, die einfallsreich, lustig, spannend und ästhetisch erzählt wird. Gut gewählte Kostüme, ein Bühnenbild, das genug Freiheit lässt für eigene Fantasie und trotzdem einen ganz eigenen Raum schafft. Darsteller, die voller Lust am Spiel dabei sind. Die knapp zwei Stunden Aufführungszeit vergehen wie im Flug.

Und das Schöne an der Inszenierung: Sie arbeitet nicht mit den üblichen Märchenklischees, gut und böse, schwarz und weiß. Die Figuren sind beides. Die Fee beschafft sich ganz eigennützig einen neuen Diener, zaubert aber auch durchaus Gutes. Jacob ist „Muttis“ Liebling und Korbträger, ekelt sich aber vor der hässlichen Fremden. Der Zauberer Wetterbock, der Vater von Jacobs Freundin Mimi, mag sich nicht von der groß gewordenen Tochter trennen, lässt sie dann aber doch ziehen – nicht ohne ihr noch einmal mit auf den Weg zu geben, dass sie ihn einsam zurücklässt.

Die Metamorphose von Jacob in Zwerg Nase findet auf der Bühne statt. Mit einem Rollenwechsel, der den Wandel des Jungen genial umsetzt. Der lange Peter Wagner spielt spritzig den Jacob, Caroline Lux überzeugend, wenn auch manchmal sehr wehleidig, den Zwerg Nase. Ein schöner Moment, als sich beide in der Geschichte begegnen. Sich im Tangoschritt über die Bühne bewegen, bevor der Zwerg Platz macht für sein „wahres“ Ich.

Immer wieder bringt die von Wolf Butter gestaltete Musik Schwung in die Geschichte. Am Anfang der klassische Sound, den man aus Märchenfilmen kennt, die Szenen von Zwerg Nases Gefangenschaft tönen hingegen disharmonisch, Elan und Gefühl bringt nach der Pause der Tango ins Spiel. Ein netter Scherz, in der Kälte Islands den Zauberer Wetterbock vom südlichen „Santa Lucia“ träumen zu lassen. Der wird hinreißend von Gastdarsteller Günter Zschäckel gespielt. Ein Meister des trockenen Humors und der unerwarteten Gesten: Ganz plötzlich greift er in der Rolle des Herzogs der Küchenmeisterin Rosel auf den Hintern.

Gleich wen Kostümbildner Joachim Herzog einkleidet, die Kostüme sind fantasievoll und schön. Der rote Samt des Herzogs, die barocke Pumphose, die spitzen Schuhe und die Mooshammer-Tolle des Frisörs, das weiße lange Kleid der Küchenmeisterin – die Figuren kommen aus einer anderen Welt und nehmen die Zuschauer mit in ihre Geschichte. Das Bühnenbild (gestaltet von Marianne Hollenstein) wirkt dagegen eher schlicht, konzentriert sich auf Wesentliches, deutet an, lässt viel Raum, ohne ungemütlich oder kalt zu sein: Ein Sofa in dem gläsernen Saal der Fee, das von der Bühne verschwindet und einem großen Herd in der Küche des Herzogs Platz macht, das Spiel vor dem roten Vorhang, der das Geschehen auf die Figuren reduziert.

Am Ende steht der entzauberte Jüngling mit der entzauberten Gans Mimi, seiner Zukünftigen, vor Vati und Mutti. Umarmung. Große Freude. Und das Publikum freut sich mit. Schöne Welt. Man muss nur daran glauben – und sich ein bisschen anstrengen. Irgendwann wird alles gut.

nächste Vorstellungen Fr 18. 11., Mo 21. 11. und Di 22. 11. jeweils um 10 Uhr.

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