zum Hauptinhalt

Kultur: Schöner Schein

Im HBPG: Filmbilder der Olympischen Spiele 1936

Stand:

Die heroisch stilisierten Bilder aus Leni Riefenstahls „Fest der Schönheit“ und „Fest der Völker“ haben das kollektive Gedächtnis an die Olympischen Spiele von Berlin 1936 geprägt. Von einer realistischen Dokumentation ist dieser zweiteilige Film, den Riefenstahl im Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees und mittels großzügiger Finanzierung durch das Reichspropagandaministerium während der Spiele drehte, natürlich weit entfernt. Doch auch die rund einstündigen privaten Filmaufnahmen dieses Sportspektakels, die am Mittwochabend im Haus der brandenburgisch-preußischen Geschichte im Rahmen der sehenswerten Ausstellung „Vergessene Rekorde“ gezeigt wurden, vermitteln nur eine scheinbare Realität.

In den meist sehr guten 8-Millimeter-Schwarz/Weiß-Amateuraufnahmen, die der Münsteraner Historiker Emanuel Hübner zusammengestellt hat, sieht man immer wieder die Sportlerinnen und Sportler der verschiedensten Disziplinen bei ihren Wettkämpfen und ein lachendes, fröhlich winkendes und anfeuerndes Publikumsmeer auf den Rängen des Berliner Olympiastadions. Zudem zeigen die Filme aber auch sehr viel vom Drumherum dieser Olympiade, etwa vom quirligen Treiben auf der mit Girlanden und Wimpeln überreich geschmückten Straße Unter den Linden oder dem Alexanderplatz. Oft in die Kamera lächelnd spazieren Frauen in geblümten Kleidern, Herren in hellen Anzügen und ausländische Gäste, bisweilen in landestypischer Tracht, bei bestem Sommerwetter vergnügt durch die Stadt. Eher selten erspäht man eine Uniform in der Menschenmenge, was im NS-Deutschland des Jahres 1936 genauso befremdlich wirkt, wie die Eintracht aus riesigen Hakenkreuzbannern und Flaggen der Teilnehmernationen, die die Straßen säumen. Es sind durchaus bemerkenswerte Filmdokumente, die erstmals einen sehr persönlichen, unzensierten und authentischen Rückblick auf diese Olympischen Spiele erlauben und die dennoch nur das widerspiegeln, was das NS-Regime in einer propagandistischen Großinszenierung der internationalen Außensicht vermitteln wollte: den schönen Schein eines friedfertigen Landes.

Für den Zeithistoriker Hans Joachim Teichler, der bereits mehrere Untersuchungen zu den Berliner Spielen von 1936 vorgelegt hat, steht deshalb außer Frage, dass gerade diese betont unpolitische Durchführung der Spiele politisch gewollt war. In seiner Einführung und Kommentierung der Filmaufnahmen macht er an diesem Abend darauf aufmerksam, wie gut sich die bereits 1931 an Deutschland vergebenen Olympischen Spiele nun zur Verschleierung von Hitlers Kriegsabsichten und des wahren Charakters des nationalsozialistischen Staates eigneten. Das Täuschungsmanöver glückte, die Olympiade wurde ein großer Erfolg. Begeistert reagierten die fast drei Millionen Besucher aus dem In- und Ausland und mehrheitlich auch die internationale Presse auf das Ereignis.

Dass man im Vorfeld der Spiele alle antisemitischen Parolen aus dem Stadtbild entfernt hatte sowie sämtliche Berliner Sinti und Roma an den Stadtrand vertrieben und über 50 000 Menschen als politische Gefangene eingesperrt wurden, nahmen auch die Schmalfilmer bei ihrem Flanieren durch die Fassade der friedlichen weltoffenen Reichshauptstadt nicht wahr. So authentisch ihre Aufnahmen auch wirken, so bleiben sie doch oberflächlich, dem schönen Schein verhaftet und zeigen nicht mehr, als sie sollten. Daniel Flügel

Daniel Flügel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })