Kultur: Schönheit im Schrecklichen
Das Museumshaus „Im güldenen Arm“ zeigt unter dem Titel „Heim. Weh. Nachglück“ Bilder von Axel Gundrum
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Schon Sigmar Polke wusste, dass es kein Entkommen gibt, wenn höhere Wesen befehlen: „Flamingos malen!“ Auch den Maler Axel Gundrum hat es ereilt. Mit skeptischem Blick schauen nun ein Mann mit Hut und eine Blondine mit toupiertem Haar knapp über den Rand eines blauen Bootes. Das Schiff treibt durch den Urwald, die beiden Touristen erblicken, eben: rosarote Flamingos. Immer wieder finden sich auf den Bildern des 60-jährigen Gundrums schelmische Einsprengsel. Mickeymäuse umrahmen eine Frau im durchsichtigen roten Nachthemd, die nicht sonderlich munter wirkt. Das „Ende des Kindseins“, so der Titel des Bildes, gerät zum frivolen Theater.
Die Retrospektive Gundrums unter dem Titel „Heim. Weh. Nachglück“ im Museumshaus „Im güldenen Arm“ versammelt nun Bilder aus mehr als 20 Jahren seines Schaffens. Seit 2004 entstehen seine Werke in Potsdam, wohin der Künstler von Osnabrück/Bramsche, wo sich sein Atelier zuvor befand, übersiedelte.
Axel Gundrum schafft Panoramen aus Figuren, die erkennbar Attribute der Gegenwart mit sich führen, aber dennoch aus der Zeit gefallen wirken. „Der Wagen“ könnte ein Karnevalskarren sein, der sich heute durch die Kölner Straßen schiebt. Schließlich richtet einer der Protagonisten seine Filmkamera auf die Menge, die den Wagen umtost. Ein anderer trägt einen modernen Helm. Dennoch wirkt das Szenario wie ein mittelalterliches Drama. Als sei es Teil eines größeren Panoramas, in dem der Künstler die Wirrnisse der Menschheit durchspielt. „Wirwa“ schmückt als Schriftzug den Helm eines anderen Protagonisten. „Haben ist Glück und Glück muss man haben“ steht auf dem Rad des „Wagen“ geschrieben. Bei „Baals Festtagen“, entstanden 2004, lassen Hochhäuser im Hintergrund die Berliner Stadtkulisse vermuten. Die Nadel des Fernsehturms pickt in den Himmel. Hoch über einer Menschenmenge balancieren Artisten mit Flügeln. Im Vordergrund speit eine Götzenstatue silbern schillernde Geldmünzen in einen Trichter. Trotz der erkennbar gegenwartsbezogenen Szenerie vermeint der Betrachter einem Schauspiel beizuwohnen, das viel mehr als das unmittelbar Dargestellte zeigt und sich eher auf die Verfasstheit der Stimmungen der Gegenwart bezieht.
„Ich liebe vor allem Dinge, die scheinbar nicht zusammengehören und sich deshalb einer Ordnung entziehen“, kommentiert der Maler sein Werk schriftlich. Flickwerk sei die Gegenwart, das Streben der Moderne nach Endgültigkeit erscheine ihm lächerlich. Die Bilder Gundrums spielen mit der Schönheit des Schrecklichen und streifen dabei das Skurrile. Der „Mann mit schiefem Mund“ könnte einfach ein Depp mit Strickmütze sein. Aber es liegt ein goldener Schimmer über dem Bild, der die an sich banale Figur in gewöhnlicher Pose ins Beispielhafte erhöht. Der Mensch, seine vielfältigen Wirrungen, seine Einzigartigkeit, seine Traurigkeit, seine Lächerlichkeit, ist das Thema Gundrums. Mit feinem Strich gezeichnete Kohleportraits zeigen das individuelle Antlitz und die genaue Beobachtungsgabe des Künstlers. Auf einem Selbstporträt in schrillen Farben posiert der Maler auf einem Schaukelpferd, eine Lederpuppe mit Tröte im Hintergrund. Von Selbststilisierung ist Gundrum weit entfernt. Wenn der Künstler seine Menschheitspanoramen verlässt und sich dem Stillleben oder der Landschaft widmet, gewinnen seine Bilder eine weitere Dimension. Der Betrachter erblickt Dörfer, weite Baumlandschaften oder schlicht drei Fische, ausgebreitet auf einer Zeitung. Hier zeigt sich handwerkliche Finesse. Die einfachen Motive erhalten ihre Spannung durch die Liebe zum Detail und die Sensibilität, mit der Gundrum die Ölschichten zu einem Ganzen fügt. Die Bilder verharren in einem sonderbaren Schwebezustand zwischen kompakter Inszenierung und luftig arrangierter Schichtenmalerei. Ohne schrille Effekte fußt die Malerei Gundrums in einer gegenständlichen Maltradition, die sich zu Zeiten des Kalten Krieges eher im östlichen Teil Deutschlands wiederfand, als in dem von der Abstraktion dominierten Westteil. Die souveräne Beherrschung altmeisterlicher Mischtechnik, vorbereitet durch das Hell-Dunkel einer Tempera-Untermalung, darüber ein Farbklang aus feinen Harzöllasuren aufgebaut, sei die Grundlage der Malerei Gundrums, würdigt Matthias Koeppel die Bilder des Potsdamer Kollegen in einem Grußwort.
Die Ausstellung „Heim. Weh. Nachglück“ im Museumshaus „Im Güldenen Arm“ in der Hermann-Elflein-Straße 3 ist noch bis zum 14 April, montags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet
Richard Rabensaat
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