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Kultur: Schönheit in Polaroid

Alexander Straulinos Polaroid-Serie "La Femme d’Argent" ist ab Dienstag in der Waschhaus-Reihe „Red Wall“ zu sehen. Im Mittelpunkt: Der weibliche Körper, entblößt und ungeschminkt.

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Alexander Straulino spricht von drei intensiven Tagen, die er Anfang Januar zusammen mit einem Model in seinem Berliner Atelier verbracht hat. Für die Reihe „La Femme d’Argent“ hatten sich Fotograf und Model für diese drei Tage zurückgezogen, um mit dem Genre der Aktfotografie und der Technik der Polaroidfotografie zu spielen, zu experimentieren. Und zuerst denkt man in dem Gespräch mit Straulino, dass sich das Intensive dieser Fotosession vor allem auf die Bewegungsabläufe, das Tänzerische, die Körperlichkeit der Bilder bezieht. Doch wenn Alexander Straulino von intensiv spricht, meint er auch das Erlebnis Fotografieren.

Rund 150 Polaroids sind in den drei Tagen für „La Femme d’Argent“ entstanden. 19 davon hat Alexander Straulino für seine Ausstellung in der Reihe „Red Wall“ im Waschhaus ausgesucht, die am heutigen Dienstag eröffnet wird.

Clemens Porikys, Projektleiter der Ausstellungsreihe „Red Wall“, die seit Januar 2011 im Treppenaufgang vom Waschhaus junge Kunst jenseits des kommerziellen Galeriebetriebes zeigt, ist mit Alexander Straulino befreundet. Und als er Straulino fragte, ob er für die aktuelle Ausstellung, mit der gleichzeitig das zweijährige Red-Wall-Jubiläum gefeiert werden soll, Bilder zur Verfügung stellen würde, sagte der sofort zu. Aber er wollte keine Fotografien aus seinem Archiv nehmen, sondern etwas Neues schaffen.

Der 39-jährige Straulino fotografiert unter anderem für Magazine wie Vogue und Harpers Bazaar und hat hier eine ganz eigene, meisterliche Bildsprache entwickelt, mittels der er das künstliche Image makelloser Hochglanzmagazinschönheit auf der einen Seite noch überhöht, auf der anderen aber nicht selten auch ironisiert. Für „La Femme d’Argent“ ist er einen ganz anderen Weg gegangen, weg von der Hyperschärfe der Megapixel in der Digitalfotografie hin zur Momentaufnahme durch das Polaroid. Straulino spricht dabei vom Trend zurück, der auch in der Fotografie zu beobachten ist.

Hätte er für die Session zu „La Femme d’Argent“ eine Digitalkamera benutzt, Straulino hätte ganz anders gearbeitet. Den Finger ständig auf dem Auslöser, hätte er mit den Bildern Chip um Chip gefüllt, um am Ende aus mehreren Hundert die Besten herauszusuchen. Mit der Polaroidkamera in der Hand musste Straulino umdenken, denn jeder Druck auf den Auflöser bedeutet ein fertiges Bild. Und obwohl er sich wegen der teuren Polaroidbilder keine Gedanken machen musste, weil er gesponsert wird, hat Alexander Straulino anders gearbeitet. „Du fotografierst bewusster, wenn das Foto sofort da ist“, sagt er. Das habe eine ganz andere Wertigkeit, sei ein viel intensiveres Arbeiten. Doch allein um diese Erfahrung ging es ihm nicht in den drei Tagen in seinem Atelier. Straulino experiementierte auch mit der Technik der Polaroidfotografie. „Ich habe die Kameras missbraucht“, sagt er.

Mit zwei unterschiedlichen Polaroidkameras hat er gearbeitet. Er hat ein Bild mehrfach belichtet, sodass die Aufnahmen oftmals so wirken, als wären im Nachhinein mehrere Motive am Computer übereinandergelegt worden, um so eine besondere Komposition zu schaffen. Doch was auf den Abzügen ab heute im rot gestrichenen Waschhaus-Treppenaufgang zu sehen ist, entstand unmittelbar im Studio. Darum hat sich Straulino auch dazu entschlossen, neben diese Abzüge auch die originalen Polaroids zu hängen. „Dann kann jeder vergleichen und feststellen, dass da nichts verändert oder retuschiert wurde.“

Es ist der weibliche Körper, entblößt und ungeschminkt, den Straulino in in den Mittelpunkt gestellt hat. Aktfotografie, die oft an Bewegungsstudien oder Tanzszenen erinnern. Durch die Technik der Überbelichtung hat Straulino den weiblichen Körper oft bis zu einer gewissen Unkenntlichkeit, nur noch einer gewissen Ahnung verschwimmen lassen. Bilder, die sich zwischen erotischer Nähe und statuengleicher Distanz bewegen und nicht selten an die Aufnahmen von Étienne-Jules Marey erinnern.

Für Alexander Straulino soll die Arbeit mit der Polaroidtechnik aber nur eine Episode sein. Für eine kurze Zeit hat er sich mit dieser Technik beschäftigt, das Unmittelbare, das Intensive daran genossen. Erst kürzlich hat er so eine Aufnahme vom Fuß seines Sohns gemacht. Fast 20 Minuten lang musste der stillhalten. Und als dann doch unruhig wurde, hat Straulino auf den Auflöser gedrückt. „Das war das perfekte Bild“, so Straulino. Er ist sich sicher, dass ihn dieses Bewusstsein in Zukunft auch bei seiner Arbeit mit der Digitalfotografie begleiten wird.

„La Femme d’Argent“ wird am heutigen Dienstag, 20 Uhr, im Waschhaus, Schiffbauergasse, eröffnet und ist bis zum 12. Mai zu sehen. Ab 21 Uhr spielt die Berliner Band Dear Us

Dirk Becker

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