Von Dirk Becker: Schönheiten in Schwarz-Weiß
Ein besonderes Ereignis: Die Ausstellung „Landschaften und Künstlerporträts“ von Barbara Klemm
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Es sind nur zwei Fotos. Links Simon Rattle, rechts Claudio Abbado. Beide weltberühmte Dirigenten, beide fotografiert an ihrem Arbeitsplatz, der Berliner Philharmonie. Abbado hatte 1989 die Nachfolge von Herbert von Karajan übernommen, Rattle kam 1999 als Nachfolger von Abbado. Während Simon Rattle auf dem Bild nach vorn gebeugt, mit erwartungsvollem Gesicht und erhobener linken Hand ganz nah am Orchester die Musiker dirigiert, steht Claudio Abbado aufrecht, mit etwas Abstand und fast beschwörend hinter seinem Notenpult. Es sind Porträts die für sich sprechen und in diesem Moment das ganze Wesen dieser beiden Männer festzuhalten vermögen.
In einem Moment des stillen Betrachtens beider Porträts bricht es dann aus Friederike Sehmsdorf förmlich heraus. Die Galeristin, die am morgigen Sonntag die Ausstellung „Landschaften und Künstlerporträts“ mit Fotografien von Barbara Klemm in ihrer Galerie Kunst Kontor eröffnet, erzählt von einem Konzert am Vorabend in der Berliner Philharmonie, wo die Geigerin Patricia Kopatchinskaja das Violinkonzert von György Ligeti gespielt hatte. Ein Konzert, das Friederike Sehmsdorf überwältigt haben muss und nun, beim Betrachten der Porträts von Simon Rattle und Claudio Abbado bei einer Vorbesichtigung am späten Donnerstagnachmittag, die Erinnerung daran in ihr wieder aufwühlt. Mit dieser aufwühlenden Begeisterung erzählt sie dann auch von der Geigerin Patricia Kopatchinskaja und deren leidenschaftlichen, fast schon körperlichen Spiel. Barbara Klemm steht daneben, hört zu und lächelt. Und in diesem Moment, in dieser Konstellation wird einem bewusst, dass die Fotografien von Barbara Klemm nicht wie so viele nur für sich sprechen. Sie berühren, bewegen und wühlen auf. Es sind Bilder, die einen selbst zum Sprechen bringen.
Es hat Jahre gedauert, bis Friedericke Sehmsdorf endlich Barbara Klemm für eine Ausstellung in ihrer Galerie gewinnen konnte. Zwölf Porträts und 23 Landschaften sind nun in den Räumen vom Kunst Kontor zu sehen. Und schon die ersten flüchtigen Blicke auf die Bilder zeigen, dass diese Ausstellung ein besonderes Ereignis ist.
Barbara Klemm, die in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag feiern wird, ist eine der einflussreichsten Fotografinnen im Deutschland der vergangenen 40 Jahre. Im Jahr 1959 begann sie im Fotolabor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wechselte aber schon nach kurzer Zeit hinter die Kamera. Ihre Bilder, immer in Schwarz-Weiß, haben bis zu ihrer Pensionierung das optische Bild nicht nur dieser Zeitung geprägt. Ob das bekannte Bild von Heinrich Böll, auf einem Klappstuhl sitzend, zwischen all den Protestierenden gegen die US-Langstreckenraketen in Mutlangen 1983. Oder die beiden SPD-Politiker Willi Brandt und Helmut Schmidt, die persönlich wenig Sympathie füreinander empfanden und die Barbara Klemm 1973 zwar mit voneinander abgewandten Gesichtern aber doch fast zärtlich aneinandergelehnt fotografierte: Diese Fotografien von Barbara Klemm sind Bild gewordene Geschichte, da sie als Fotografin immer das Gespür für den gewissen Moment hatte.
Solche Politikerbilder sind in der Potsdamer Ausstellung nicht zu sehen. Es sind Landschaftsfotografien und Künstlerporträts die hier gezeigt werden und mit denen Barbara Klemm vor allem das Bild im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geprägt hat. Die Landschaftsbilder sind Schönheiten in Schwarz-Weiß, präsentiert auf eher kleinem Format von 30 mal 40 Zentimetern.
„Ich habe keine Lust, die Sachen aufzublasen“, sagt Barbara Klemm, die sich Zeit nimmt und geduldig durch die Ausstellung führt. Das zurückhaltende Format zwingt den Betrachter zur Nähe, die von Barbara Klemm bewusst gesucht wird. Denn oft wirken Bilder auf den ersten und distanzierten Blick belanglos. Doch wer bei diesen Fotografien die Distanz überwindet, kann die Kompositionen und die zahlreichen Details entdecken, durch die diese Bilder zu zauberhaften Stillleben werden.
Diese Landschaftsbilder sind, bis auf wenige Aufnahmen, in Brandenburg entstanden. Manche zu DDR-Zeiten, wo Barbara Klemm für ihre Zeitung hier unterwegs war, manche erst nach der Wende. Durch das Schwarz-Weiß, das den Bildern von Barbara Klemm etwas Reizvolles und gleichzeitig ihre ganz persönliche Handschrift gibt, ist nur gelegentlich am Detail zu erkennen, wann diese Fotografien entstanden sind. Doch eigentlich ist eine solche Zuordnung egal. Denn diese Aufnahmen, mal von Rheinsberg, dann von Havelberg oder der Wasserpyramide im Park von Schloss Branitz, atmen Atmosphäre und ein Hauch von Zeitlosigkeit.
Keine Inszenierungen seien diese Bilder, sagt Barbara Klemm, deren so herzliche und zuvorkommende Art einen schnell erkennen lässt, dass gerade darin ihr Geheimnis liegen muss, mit dem sie das Vertrauen der Menschen vor ihrer Kamera gewinnt. Das Gespür für den richtigen Moment, nennt sie das. Und dass sie dieses Gespür wohl ihrem Vater, dem Maler Fritz Klemm, zu verdanken hat.
Dann zeigt Barbara Klemm die Porträts von Simon Rattle und Claudio Abbado, von den Schriftstellern Ingo Schulze und Durs Grünbein. Zu jedem Bild erzählt sie eine kleine Geschichte und sagt, dass sie die Menschen am meisten in der Fotografie interessieren. Denn nur im Menschen zeige sich das ganze Leben.
Und dieser Satz: Schwarz-Weiß ist Farbe genug. Stammt der wirklich von ihr? Ja, sagt Barbara Klemm. In einer Fernsehdokumentation über ihre Arbeit sei ihr dieser Satz spontan eingefallen. Wer die Bilder in der Ausstellung „Landschaften und Künstlerporträts“ betrachtet, wird sehr schnell erkennen, wie recht sie hat.
Die Ausstellung „Landschaften und Künstlerporträts“ wird am morgigen Sonntag, 6. September, um 16 Uhr im Beisein von Barbara Klemm in der Galerie Kunst Kontor, Bertinistraße 16 B, eröffnet
Dirk Becker
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