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Kultur: Schonkost

Hans Werner Olm in der Waschhaus Arena

Stand:

Er scheint in die Jahre gekommen zu sein. Statt seine Gäste als Lebensberater und Motivationsstratege zu erfreuen, wie es in der Ankündigung seines aktuellen Bühnenprogramms „Mir nach, ich folge!“ zu lesen ist, macht sich Hans Werner Olm, nachdem er ein Weilchen gewohnt bissig über die „Tuntenqualle“ Dirk Bach, den „Kinderbuchautor“ Philip Lahm oder den „Kopftuchjäger“ Thilo Sarrazin gelästert hat, am Sonntagabend in der Waschhaus Arena dann nur noch Gedanken über das Altern und den Tod. Glücklicherweise unter dem vergnügten Gelächter seines Publikums.

Zweifelsohne zählt Hans Werner Olm zu den besten und auch beständigsten Vertretern der deutschsprachigen Belustigungsindustrie. Kaum einer seiner Zunft besitzt so einen derb-finsteren Sinn für Humor, kann so wortmächtig spotten und Zoten reißen. Richtig in Fahrt kann Olm sogar zum Zungeschnalzen grandios die wilde Sau spielen. An diesem Abend tut er es nicht. Tatsächlich wirkt der Comedian etwas erkältet, was seinem sauber hingelegten AOK-Rapsong jedoch recht gut zupass kommt und einen Extraapplaus beschert.

Ja, immer wenn Olm zu seiner Wanderklampfe greift oder in Begleitung des allerdings großartigen Pianisten Chris Erbse bekannte Lieder von Albano und Romina Power, Alexandra oder Bob Dylan verhohnepipelt, ist dem begnadeten Parodisten der Beifall sicher. Wenn er jedoch die meiste Zeit über im bunt karierten Holzfällerhemd und Jeans dasteht und darüber klagt, dass es mit Mitte 50 für Coolness zu spät sei, dass die Partys früher besser gewesen und die Menschen heute nur noch von Schönheits- und Fitnesswahn und Vegetarismus besessen seien, hat diese erstaunliche Laschheit eine nur noch artige Heiterkeit zur Folge. Dann nützt es auch wenig, lang und breit von einem Arztbesuch zu erzählen, der prompt zum Bestatter führt, um sich eintopfen und tiefer legen zu lassen. Einmal gestreckt, dünnt die Geschichte rasch aus und wird nur dank der reichlich eingestreuten tabulosen Frechheiten und der schon berüchtigten Zoten am Leben erhalten.

Nonverbal überzeugt Olm dagegen auf Anhieb. Herrlich, sein Räkeln auf einem Hocker, wenn er laut und ausgiebig grunzend, stöhnend, keuchend und schnaufend eine Palette gut abgehangener Altherrengeräusche präsentiert oder als Pantomime alte Kneipengänger darstellt. Und dass auch Literatur Gejohle und Schenkelgeklopfe auslösen kann, beweist Olm, als er seinen Text vorliest, der unter vollendeter Ekelästhetik die wirklich allerletzte Libido beschreibt. Dennoch weist der Abend wohl nur einen wahren Höhepunkt auf: den Kurzauftritt Siggis, eines besonders ordinären Alt-Machos aus dem Ruhrpott. Im weißen Jackett, mit furchtbarer Vokuhila-Frisur und getönter Busfahrerbrille schreitet Siggi den Bühnerand ab und ist froh, nicht schwul zu sein, nicht mit einer grauhaarigen Tucke auf Rosenstolz-Konzerte zu müssen. Aber auch ein Farbiger will Siggi nicht sein, orgelten die doch auf Jamaika eh nur rattige Realschullehrerinnen durch.

Leider, Siggi ist die einzige, doch viel bejubelte Rolle, in die der Erfinder so vieler verschrobener Figuren an diesem Abend schlüpft. Umsonst hat man auf Luise Koschinsky gewartet, jene unverwechselbare, bärbeißig herumschnauzende „Wuchtbrumme aus Meppen“, Publikumsliebling und Paraderolle Hans Werner Olms. Der verabschiedet sich nach knapp zwei Stunden und verzichtet altersmilde darauf, den Saal zum Toben zu bringen. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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