Kultur: Schräge Tätigkeitsnachweise
Menno Veldhuis und Tom Korn als „Zwei Nomaden in Potsdam“ im T.A.Z.-Container
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Mit dem, was Malerei ist oder sein kann oder was als Drumherum auch noch dazugehört ist die aktuelle Ausstellung im Container der „Temporary Art Zone“ (T.A.Z.) auf dem Schirrhof befasst. Menno Veldhuis und Tom Korn sind die Urheber dieser Schau, zwei Namen mit ziemlicher Entfernung zum Kunst-Etablissement, zwei Nomaden in Potsdam. So heißt ihre Präsentation in der rostroten, langgezogenen Düsternis, nichts für platzängstliche Freunde von Kunst oder Drumherum.
Nun, was da zu sehen ist, macht erst einmal so viel nicht her: Ganz hinten steht ein farbbekleckerter Hocker, an den Seitenwänden rechts und links nicht allzu große Seltsamkeiten, welche der verständnisvollen Kontemplation des Betrachters harren. Mit dem schlicht gehaltenen Ausstellungs-Guide gleich links am eisernen Entree, einem A-4-Blatt, sollte man anfangen. Darauf stehen so kryptische Kürzel wie „Menno Arbeit“ oder „Tom 0,3“. Genau darum geht es hier. Um etwas schräge Tätigkeitsnachweise, die zugleich Lebenszeugnis sind. So sind linkerhand oszillierende Kurven zu sehen, mit winziger Schrift geziert. Ein Werk von Menno Veldhuis, denn der junge Künstler aus den Niederlanden wollte einfach mal wissen, wie viele Stunden er womit in seinem Atelier zubringt. Solche Orte verabscheuen ja die Stechuhr. Diese Protokolle dienten ihm fünf Jahre lang zur täglichen Selbstmotivation, bis ihm die Motivation fürs Protokollieren ausging. Nun hängt es dort, zum Schauen aller, nicht schlecht. Auch eine Karte all seiner Potsdamer Ateliers findet man in dem vorläufigen Kunstraum, mit englischer Zunge kurz T.A.Z. genannt. Wer hier nicht wieder mal Concept art wittert! Bei der wird jeder Stuhl zum Kunstwerk, er muss aber nicht.
Menno Veldhuis ist nicht nur ein freundlicher Mensch, sondern auch ein Schalk. Der Klecker-Hocker nämlich stammt aus seinem Atelier, wo er nun fehle, Titel „unready made“, fast wie bei Duchamp! Wie ja auch Nomade mit „no made“ übersetzt werden kann. Was für Veldhuis alles Atelier ist, verrät eine kleine Fotoserie, mit dem Fotohandy aufgenommen: Veldhuis als Taxifahrer, unter Dönerverkäufern, als Baggermann. „Hier sieht man den glücklichen Künstler“, kommentiert er selbst und weist auf das Opus gegenüber, wo man ihn da selbst bei wunderlichstem Tun abgelichtet findet. Per Selbstauslöser steckt er den Kopf mal ins Gullyloch, dann unter den Schirm, dann in den Blumenkübel und die Füße tief in den Stallmist. Oh Gott, wenn das Rousseau gewusst hätte: Dieses so körperintensive wie ironisch gemeinte Werk heißt ja ostentativ „Back to Nature“. Künstlerischer ist Veldhuis mit einem augenlosen, ziemlich dunklen Porträt des Ikonenmalers Andrej Rubljow und einer Bierdeckelmalerei vertreten, eine hübsche Kopie von Van Goghs „Sternennacht“. Ein Künstler ist eben immer Künstler, auch beim Biere. Auf dem Revers die Marke vom Gerstensaft, aber die soll man natürlich nicht sehen.
Stadtnomade Tom Korn ist, so Selbstaussage, „seit 2001 freischaffender Künstler und Koch“. Seine Affinität, in seinen Projekten mit Beton und Teppich zu arbeiten, ist hierzulande gut bekannt. Er hat sich im Langcontainer die Freiheit erlaubt, den gesammelten Schriftverkehr mit städtischen Obrigkeiten von Flensburg öffentlich zu machen, die Staatsgewalt erwischte ihn „mit 0,3 Gramm Gras“. Da wimmelte es nur so von behördlichen Anrufungen, ärztlichen Gutachten und Rechtsbehelfsbelehrungen. Tja, Amtsdeutsch müsste man können! Sein anderer Beitrag ist eher traditionell. Auf und in mehr als hundertfünfzig kleine flauschige Teppichquadrate hat er behufs kleiner flauschiger Teppichreste flauschige Urlaubsbilder entworfen: Städte, Küsten, Berge – Mensch, wo der überall war!
Eines wird schnell klar bei den „Zwei Nomaden in Potsdam“: nur nicht alles so ernst nehmen. Wer etwas Geduld und den richtigen Faden mitbringt, wird von diesen Potsdamer Nomaden garantiert etwas mitnehmen. Das Augenzwinkern zumindest.
Die Ausstellung ist noch bis zum 27. Oktober, mittwochs bis sonntags, 12-18 Uhr, auf dem Schirrhof in der Schiffbauergasse zu sehen
Gerold Paul
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