Kultur: Schrecklich witziges Mittelalter
Das Kindertheaterstück „Das Dorf der Sünde“ hat am Samstag Premiere in der „fabrik“
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Animalische Geräusche hinter der Bühne, zwei Jungs in schwarzen Umhängen treten hervor, es sind zwei der berüchtigten Assassinen, die letzte Nacht eine Postkutsche ausgeraubt und fette Beute gemacht haben – die Passagiere haben sie lebendig gehäutet und gefressen. Kurz darauf treten zwei Mädchen auf die Bühne, die im Wald Kräuter pflücken: Man könnte ja den verhassten Dorfbewohnern etwas ins Trinkwasser mischen, Cannabis zum Beispiel. Dann treffen sie auf die Assassinen.
Das Mittelalter war düster, schrecklich, blutrünstig – und verdammt witzig, glaubt man der Interpretation der Theatergruppe „Tabularasa“, die am Wochenende auf der Bühne der „fabrik“ ihr selbstgeschriebenes Theaterstück „Das Dorf der Sünde“ uraufführt. Entstanden ist eine rabenschwarze Komödie voller Mord und Intrigen – die die Schüler selbst geschrieben haben.
Zwei uneheliche Kinder werden geboren und müssen an das Schloss verkauft werden, sechs Jahre später fällt eins davon in einen Brunnen – es stirbt aber nicht, wie alle denken, sondern der Brunnen verfügt über einen Geheimgang. Das Königspaar im Schloss sind eigentlich zwei lesbische Königinnen. Als eine Bedienstete das ausplaudert, ist die Dorfgemeinschaft außer sich. „Sünde!“, skandiert der Priester. Also ab in den Brunnen mit ihnen. Die schmieden natürlich Pläne, wie sie sich rächen können. Zum Schluss laufen die Fäden am Schloss zusammen, wo ein gigantisches Gemetzel stattfinden wird: Als der Tod auftaucht, wird es für ihn keine Seelen zu holen geben, weshalb er vor Wut Klavier spielen wird.
„Die Kinder wollten ganz viele Intrigen und Morde in ihrem Stück haben“, sagt Laura Thyrolf vom Offenen Kunstverein, die zusammen mit Nathalie Fribourg das Stück inszeniert. Dabei ging es nicht darum, den Kindern ein Stück überzuhelfen, sondern sie sollten selbst eins schreiben, die Figuren selbst entwickeln. „Man muss sich da ganz langsam ranarbeiten, sonst haben die Kids schnell keinen Bock mehr“, sagt Laura Thyrolf. Ein Dreivierteljahr habe man daran gearbeitet, die Handlung entworfen, in den letzten Monaten wurden dann die Szenen einstudiert – und ganz viel improvisiert. Mittlerweile sind alle sattelfest in ihren Rollen. Für die Theatergruppe „Tabularasa“ ist es bereits das vierte Stück, das sie auf die Bühne bringt. Laura Thyrolf arbeitet ehrenamtlich beim Offenen Kunstverein, der auch europäische Freiwillige beschäftigt, die für ein Jahr in Potsdam mitarbeiten – von ihnen stammt auch das Bühnenbild, mit Schloss und Felsen. Mitmachen könne jeder, der Lust auf Theater habe: „Wir sind immer offen für neue Kinder“, so Laura Thyrolf. Offenbar werden das Stück nicht alle überleben. Oliver Dietrich
„Das Dorf der Sünde“ am Samstag um 18 Uhr und am Sonntag um 16 Uhr in der „fabrik“, Schiffbauergasse
Oliver Dietrich
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