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Kultur: Schuberts „Erste“ krönender Höhepunkt

Neues Stück im Konzert der Kammerakademie im Nikolaisaal

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Antonello Manacorda hat ein besonderes Faible für die Musik Franz Schuberts, vor allem für dessen Sinfonien. So tauchen in Konzerten der Kammerakademie Potsdam, die ihr Chefdirigent leitet, immer wieder Werke des romantischen Klassikers auf. Auch im Sinfoniekonzert am vergangenen Samstag. Die Sinfonie Nr. 1 in D-Dur wurde zum absoluten und viel bejubelten Höhepunkt des Abends im Nikolaisaal.

Franz Schubert schrieb seine Sinfonie, 16-jährig, noch während seiner Schulzeit im k. k. Stadtkonvikt in Wien. Vom dortigen Schulorchester wurde sie vermutlich auch erstmals aufgeführt. Schubert komponierte sie nach dem Vorbild Mozarts und Haydns, orientierte sich aber auch an Beethoven, der zur selben Zeit in Wien wirkte. Doch vernimmt man bereits typisch Schubertsche Klänge. Manacordas Interpretation machte sie hörbar: Schuberts Auseinandersetzung als ernstes, aufwühlendes Ringen in Sachen Sinfonie – und nicht (wie sonst so oft) als harmloses Probieren eines Jugendlichen, der in gehörigem Respekt zu den „Großen“ sich noch nicht richtig traut. Mit begeisternder Vehemenz musizierte die Kammerakademie das Werk, wobei Antonello Manacorda aus ihm feinste Nuancen herausholte. Er achtete aber auch auf einen ausgewogenen Orchesterklang, bei der ja vor allem die Holzbläser eine wichtige Rolle spielen. Der Leichtgewicht-Charakter, den man der Sinfonie gern zuschreibt, war hier jedenfalls verflogen.

Benjamin Britten, dessen 100. Geburtstag in diesem Jahr gedacht wird, kam mit dem Präludium und Fuge op. 29 für 18 Streicher zu Wort. Ein Stück, das infolge der Barockmusik-Begeisterung des Engländers entstanden ist. Hierbei muss sich in der Fuge jeder Musiker mit einem eigenen Part zurechtfinden. Die Kammerakademie hat sich souverän mit dem Werk angefreundet und für eine intensive und tonsaubere Wiedergabe gesorgt, wobei der Solovioline, gespielt von der neuen Konzertmeisterin Meesun Hong Coleman, eine „tragende Rolle“ zukam. Mit feinem Gespür für die Klangspezifik Brittens erfüllte sie ihre Aufgabe.

Doch der eigentliche Solist des Sinfoniekonzerts war der italienische Hornist Allessio Allegrini. Ein Musiker, der mit technisch makellosem Ton und wie mit nebensächlich dahinhuschender Virtuosität Mozarts Hornkonzert Nr. 4 Es-Dur KV 495 zum Besten gab. Allegrini und die Kammerakademie unter dem Dirigat von Antonello Manacorda pflegten einen kultivierten, eleganten Rokoko-Ton, der jedoch zu wenig die vorhandenen Kontraste ausschöpfte. Dem Publikum gefiel‘s dennoch und es spendete reichlich Applaus.

Allegrini und seine Potsdamer Mitstreiter stellten auch ein neues, ein anregendes Stück vor: „Out “ für Horn, Schlagzeug und Streicher des Italieners Riccardo Panfili. Der Komponist hat Gedanken des Dokumentarfilms „Tagebuch eines Lehrers“ aus dem Jahre 1972 für sein Werk benutzt. Im Film berichten arme und benachteiligte Kinder, wie sie sich als Außenseiter der Gesellschaft fühlen. Panfili vereinte mit großer klanglicher Fantasie traditionelle und neue Kompositionstechniken, klassische Moderne und sogar Spätromantisches, dabei aber auch Folkloristisches aus Afrika in petto habend. Und doch verströmt es seine eigene, einzigartige Identität und Atmosphäre, der man sich kaum entziehen kann. Sehnsucht, Trauer und wilder Übermut, Stille und Lärm werden in dem Werk hörbar. Allessio Allegrini meistert von der der ersten bis zur letzten Sekunde hochkonzentriert seinen umfangreichen Part. Virtuos gestaltete Passagen gelingen ihm dabei ebenso eindringlich und überzeugend wie die lyrischen. In der Kammerakademie und in Antonello Manacorda fand Allegrini sensible und sicher musizierende Begleiter, die sich für das Werk Panfilis ebenfalls engagiert einsetzten. „Out “ war beim Publikum nicht out , sondern erhielt herzlichen Beifall, in dem auch der anwesende Komponist einbezogen wurde. Klaus Büstrin

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