Kultur: Schwäbische Vibrations
Musikkabarettist Michael Krebs im HOT
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Du hast keinen Vorhang, sondern musst durch eine schwere Eisentür auf die Bühne im Foyer. Keiner der vierzig Gäste da vorn wird von dir gehört haben. Du hast schon diverse Preise gewonnen, bist aber für die doch kabarettistisches Frischfleisch. Wird mein schwäbischer Dialekt ankommen? Immerhin. Es ist das Hans Otto Theater.
Gedanken dieser Art waren Michael Krebs ins Gesicht geschrieben, als er vor seinem Potsdamer Publikum stand. Das Leopardenhemd, das er trug, sollte Wildheit und Entschlossenheit suggerieren. Aber seine ersten Worte, in breitem Schwäbisch, klangen unsicher. Und was sollte die große Alditüte, die er mit an den Klavierschemel trug?
Michael Krebs, dem Unbekannten, gelang ein kleines Theaterwunder. Er erspielte sich in zwei Stunden die kräftige Sympathie seines Publikums.
Kurze blonde Haare, Brillenträger, Typ Mamas Liebling. Krebs startet dann auch mit einer Hommage an die Spätzle seiner Mutter, sieben Autobahnstunden entfernt von Hamburg, seinem Wohnsitz. Er hämmert dabei den Blues in die Tasten, und wie Jerry Lee Lewis kann er am Klavier nicht still sitzen. Das Hohe C spielt er mit dem rechten Fuß. Jetzt weiß jeder, warum er dieses Hemd trägt. Am Klavier ist Michael Krebs ein geniales Raubtier. Er wolle, dass „schwäbische Vibrations“ aufkommen. Mit dem ersten Rock“n Roll stehen sie für den ganzen Abend im Raum.
Nicht so hoch peitschend, aber musikalisch wie alles von Krebs Gespielte bemerkenswert anspruchsvoll, singt er die Ballade über das „Hausverbot bei Aldi“. Es wurde verhängt, nachdem sich Krebs nachts mit dem geliebten Billigsortiment alleine einschließen lassen wollte.
Und dann kramt der Schwabe seine beiden Platten des Pianisten Richard Clayderman hervor, dessen schmalzige „Ballade pour Adeline“ in den achtziger Jahren der Inbegriff des Gefühls war. Ein Stück, das bis heute jeder im Ohr hat. Was nun folgt, ist hohe Bühnenkunst. Die virtuose Einvernahme des Publikums. Krebs wählt sich die blonde Sigrid, breitet ein Fell über das Klavier und bittet die Rockträgerin, dort oben Platz zu nehmen. Während der Kabarettist das populärromantische Instrumentalstück, das gar nicht so einfach zu spielen ist, vorträgt, schmachtet er heftig „seine Sigrid“ an. Natürlich wirkt die Situation an sich schon brüllend komisch. Hinzu kommt aber auch ein Kokettieren mit der Authentizität, die sich Krebs durch seinen Auftritt bisher erworben hat. Ist die bekundete Zuneigung vielleicht doch mehr als nur gespielt? Das alles läuft ab, ohne dass Sigrid mulmig werden müsste.
Krebs bleibt nun noch eine Weile bei seinem Idol und rätselt über den Erfolg von Claydermans Welthit. In einem furios gespielten Potpourri konstruiert er die „ewigen“ Takte dabei in eine ganze Reihe von populären Musikstücken hinein. Von Beethovens „Für Elise“ bis zum Hard Rock von ZZ-Top oder dem HipHop der Fantastischen Vier: Wie Krebs die intrigante Melodie jeweils hinein schmuggelte, ist sensationell arrangiert und virtuos gespielt.
Nach der Pause entschuldigten Krebs“ musische Qualitäten Geschmackseskapaden über das widerliche „Ding von Heinz“ und den kariösen Zähnen, die das Herz von Fräulein Birgit in der Zahnarztpraxis Dr. Wahn gewinnen wollen. Es folgte ein sympathisches Finale, bei dem der Blick des schwäbischen Entertainers wieder „seine“ Sigrid in der ersten Reihe trifft.
„Den Namen müssen wir uns merken. Wir konnten das Lachen nicht lassen.“ Während Michael Krebs seinen Garderobenschlüssel weitergibt, steht hörbar die Anerkennung über einen erlebnisreichen Abend im Raum. Schwäbische Vibrations – nicht nur für Sigrids.
Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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