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Kultur: Schweinemett und Sinnlichkeit

Nominiert für deutschen Filmpreis: Jördis Triebel und „Emmas Glück“ auf Lola-Festival im Filmmuseum

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Gerade eben noch hat die Film-Emma dem Jürgen Vogel, der den todkranken Max spielt, ganz sanft mit einem scharfen Messer die Kehle durchgeschnitten. So liebevoll, wie sie das immer mit den Schweinen gemacht hat. Das ist das drastische Ende von „Emmas Glück“, der von Sven Taddicken verfilmten tragisch-schönen Liebesgeschichte zwischen einer jungen Bäuerin und einem Autoverkäufer mit Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Nun steht Jördis Triebel vor den fünfzig Zuschauern, doch ist der Sinn im Moment danach, jetzt nicht über den Film zu reden. Man fühlt sich ein wenig überrumpelt von den gerade gesehenen Bildern. Dieser von Menschenhand vollführte Tod erscheint nicht grausam wie das Politikum „Sterbehilfe“, obwohl hier eine Klinge durch Fleisch schneidet und das Blut sichtbar aus der Halsschlagader pulsiert. Dieser Tod sieht wirklich so aus, als wäre er aus Liebe vollbracht worden. „Es ist der schönste, den man sich vorstellen kann“, sagt Jördis Triebel zu Bärbel Dalichow vom Filmmuseum, ganz in der Art von Emma, die Max ihre unkonventionelle Schlachtmethode so begründete: „Schlimm ist die Angst vor dem Tod, nicht der Tod selbst.“

Dass der Tod nicht nur für Max, sondern auch für die Zuschauer seinen Schrecken verliert, ist einer der Gründe, warum „Emmas Glück“ und die Schauspielerin Jördis Triebel für den diesjährigen deutschen Filmpreis „Lola“ nominiert sind, der am 4. Mai in Berlin verliehen wird.

In ihrem Kino-Debüt spielt die Ost-Berlinerin eine Schweinezüchterin, die ihren idyllischen Hof vor den Zugriffen ihrer Gläubiger sogar mit einer Schrotflinte verteidigt. Schweine töten, Eingeweide herausnehmen und Wurst drehen: Triebel ist die Idealbesetzung für eine Rolle, in der nebeneinander Schweinemett und Sinnlichkeit in großen Mengen verlangt wird. Das Landleben studierte die Städterin Triebel in einem dreiwöchigen Praktikum. „Morgens um Fünf aufstehen, und es war saukalt“, erinnert sich die Schauspielerin. Sie hätte dort auf dem Hof gelernt, dass Schweine viel größer wären als man denkt und: Die Borstentiere sind wirklich „nix zum Kuscheln."

Auch Bauersfrau Emma weiß das, und begnügt sich, bis Max mit einem gestohlenen Jaguar durch die Leitplanke bricht und so direkt auf ihrem Hof landet, mit den Vibrationen ihres Mopeds, die sie durch den Sattel zu genießen weiß. Triebels Augen glänzen und blitzen dabei, wie sie förmlich den sehnigen Oberkörper des bewusstlosen Vogel verschlingen wollen, als er aus dem Wrack geborgen auf ihrem Bett liegt. Mit der Naivität einer Unschuld vom Lande, fährt ihre Hand in Großaufnahme forschend über die Muskeln, während ihre hemdsärmelige andere Hälfte bereits längst einen verheißungsvollen Blick in Vogels Shorts geworfen hat.

Um diese bodenständige Leidenschaft so glaubwürdig zu verkörpern, half Jordis Triebel ihre Schauspielerfahrung, die sie am Theater in Bremen und in Zürich gesammelt hat. So sagt ihr wild entschlossener Blick, als sie dem hoffnungslos in sie verknallten Polizisten Henner (köstlich in der Nebenrolle: Hinnerk Schönemann) entgegen tritt, mehr als es Worte tun könnten. Regisseur Sven Täddicken, der ein Drehbuch nach der gleichnamigen Romanvorlage von Claudia Schreiber zugrunde legte, kann mit so einem schauspielmächtigen Ensemble die Tradition des redseligen deutschen Films getrost verlassen. Emmas Glück ist immer noch ein relativ wortkarger Film, das, was gesagt wird, ist kurz und essentiell, so wie die Liebe zwischen Emma und Max kurz und großartig ist.

Für die Absolventin der Berliner Schauspielschule Ernst Busch in Berlin könnte aus ihrem Debütfilm „Jördis Glück“ werden. Vier Jahre dauerte es immerhin, bis man sich an ihre Abschlussarbeit an der Hochschule erinnerte und sie zum Casting für Emmas Glück einlud. Klappt es nun mit der Lola, steht Jördis Triebel eine rasante Karriere bevor, die sie über die ZDF-Serien, die sie zur Zeit dreht (KDD – Krimialdauerdienst) weit hinaus bringen wird.

Denn Jördis Triebel füllte ihre Rolle mit so viel Wildheit, Lebensklugheit und ungeschminkter Schönheit, dass ihre Chancen selbst neben den ebenfalls nominierten Hannah Herzsprung und Monica Bleibtreu (beide für „Vier Minuten“) auf den wichtigsten nationalen Filmpreis ziemlich gut stehen.

Matthias Hassenpflug

„Emmas Glück“: Mi. 18 Uhr; 20 Uhr „Die Fälscher“.

Matthias Hassenpflug

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