
© Roswitha Pross
Kultur: Schwestern im Geiste
Im Potsdam Museum stellte Anna Lenz ihr Buch „Starke Frauen für die Kunst“ vor
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Die Frauenporträts der Künstlerin Sibylle Wagner bildeten den perfekten Rahmen für diese Buchvorstellung. Inmitten der Fotoausstellung „Jenseits von Effi Briest“, die derzeit im Potsdam Museum zu sehen ist, stellte am Mittwochabend Anna Lenz ihr Buch „Starke Frauen für die Kunst“ vor: Interviews mit 20 Lebensgefährtinnen namhafter europäischer Künstler, die zur Künstlergruppe Zero gehörten. Unter ihren Gesprächspartnerinnen waren unter anderem Christine Uecker, Elizabeth Goldring-Piene, Hannelore Dietz, Antje von Graevenitz. „Liebe Frau Wagner, ich mache mit Worten das, was Sie mit Ihren Bildern gemacht haben“, sagte die Autorin in ihrer an die Fotografin persönlich gerichteten Ansprache.
In der Regel sind es die Künstler, die die Aufmerksamkeit bekommen, denen gehuldigt wird. Anna Lenz legte den Fokus auf die Lebensumstände des Alltags als Künstler-Gattin – Erfahrungen, die viele der anwesenden Frauen, darunter Künstlerinnen und Galeristinnen, gut nachvollziehen konnten, wie sich im Gespräch nach der Lesung zeigte. Auch Anna Lenz kennt das – und hätte sich gut und gern in die Frauen ihres Buches einreihen können. Ihr Mann Gerhard Lenz ist Kunstsammler, gemeinsam bauten sie die international renommierte Sammlung Lenz Schönberg auf – mit etwa 600 Bildern von Künstlern der Zero-Bewegung eine der größten privaten Sammlungen. Und Anna Lenz tat und tut, was viele ihrer Schwestern im Geiste taten: den Mann unterstützen, Bilder archivieren, organisieren, telefonieren, die Familie zusammenhalten, den großen Freundeskreis bekochen. „Frauen leben als Künstlerinnen oft alleine – Männer hingegen brauchen Frauen an ihrer Seite, die das Leben organisieren“, sagte Anna Lenz.
Ist das nun Selbstaufgabe und Unterordnung? Warum haben die Frauen das getan – und was machten die, die sich ihre Eigenständigkeit erhielten, ihren Beruf weiter ausübten, möglicherweise selbst künstlerisch tätig waren? Die gab es ja auch, und manchmal war das eine kluge Entscheidung: „Mein Mann wollte zunächst nicht, dass ich an der Universität arbeite, wir sollten nicht abhängig sein von dem regelmäßigen Gehalt“, erzählt im Buch eine Frau. Sie arbeitete trotzdem. „Als er starb, hätte ich die Familie sonst nicht durchgebracht.“ Solche Aussagen ließen sich freilich nicht nur als Statement der Künstlerbranche, sondern auch als zeitgeschichtliches Dokument lesen. Immerhin geht es hier um eine Generation, die in den Nachkriegsjahren aufwuchs. Wer in den 50er- und 60er-Jahren heiratete, wurde mit entsprechenden Rollenklischees konfrontiert. Im Interview mit der Architektin Nanda Vigo, die einige Jahre mit dem Maler und Konzeptkünstler Piero Manzoni zusammenlebte, wird das sehr deutlich. „Der Gedanke, mein Atelier aufzugeben, schien entsetzlich ... aber ich hatte Angst, er würde mich sonst nicht heiraten“, sagt sie. Nach seinem Tod sei sie teilweise erleichtert gewesen, „weil er dermaßen gegen meine Arbeit war“.
Anders als Nanda Vigo entschied sich Danielle Morellet, mit dem Maler, Bildhauer und Lichtkünstler Francois Morellet verheiratet, ihren Beruf als Pianistin aufzugeben. „Entweder bist du eine gute Pianistin – oder Mutter und Ehefrau“, sagt sie im Buch. „Ich bin überrascht, wie spießig doch auch die Künstler waren, die ihre Frauen zu Hause haben wollten – keine Spur Liberalismus“, äußerte sich dazu eine Zuhörerin.
Doch im Buch kommen auch Frauen zu Wort, die mit ihrem Partner eine innige Vertrautheit auch in künstlerischen Dingen erlebten. Die Pinsel wuschen, komplizierte Farben anrührten, „natürlich ohne Klümpchen“. Rotraut Klein, verheiratet mit dem Maler, Bildhauer und Performancekünstler Yves Klein, sagt: „Ich war ja sehr geschickt, ich wusste wie man Hölzer reibt, um die Ecken abzurunden, ich konnte mit Feilen und sonstigen Werkzeugen umgehen. Nun half ich eben Yves.“ Und manche der Frauen entdeckten die eigene künstlerische Tätigkeit als Kraftquelle für den Alltag.
Das Buch – bereits in zweiter Auflage erschienen – profitiert von der intimen Nähe der Autorin Anna Lenz zu den Frauen. Und ist ein berührendes Zeugnis einer Generation, die ihre gesellschaftliche als auch künstlerische Identität zwischen Konservatismus und Neu-Erfindung in der Zero-Bewegung suchte.Steffi Pyanoe
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