Kammerakademie Potsdam: Schwungvoll in die neue Spielzeit
Die Kammerakademie Potsdam sorgte zum Auftakt für einen unterhaltenden Abend
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Der Auftakt war Alexander Hollensteiner vorbehalten. Der seit einer Spielzeit fungierende Geschäftsführer der Kammerakademie Potsdam begrüßte am Samstag zur neuen Konzertsaison die Besucher im Nikolaisaal. Er beglückwünschte die Musikerinnen und Musiker sowie den Chefdirigenten Antonello Manacorda zum renommierten „Echo Klassik“-Preis, der ihnen für die Interpretation von zwei Schubert-Sinfonien im Oktober verliehen wird. Das Publikum freute sich über die Auszeichnung an die Kammerakademie mit frenetischem Applaus. Der Potsdamer Klangkörper ist mit diesem Preis in der ersten Liga deutscher Kammerorchester angekommen.
Danach begann der musikalische „Alltag“, den man mit Schwung und hörbarer Freude anging. Unter dem Motto „Natürlich Musik“ begibt sich das Orchester in der neuen Saison auf Klangexpeditionen in die Natur. Zunächst hatten die vier Elemente das Sagen. Der französische Barockkomponist Jean-Fery Rebel, der am Hofe Ludwigs XV. wirkte, schrieb in seiner Ballettsuite „Les Éléments“ gleich zu Anfang im „Chaos“ eine haarsträubende, schreckenerregende Dissonanz, den ersten Cluster in der Musikgeschichte. Aus dem kakophonischen Chaos steigen einzeln und langsam die Elemente, in Gestalt solistischer Instrumente. Manacorda ließ das Durcheinander schnell hinter sich. Seinen hervorragenden Orchestersolisten gewährte er großen Freiraum. Das frisch aufspielende Orchester musizierte auf modernen Instrumenten historisch informiert, versagte sich jedoch erfreulicherweise nicht jedem Vibrato, sodass dem barocken Werk reizvoll helle Instrumentalfarben entstiegen.
Rebels „Vier Elemente“ waren ein guter Einstieg, um auf die ebenfalls fürs Ballett geschriebene Pulcinella-Suite überzuleiten. Igor Strawinsky hat darin einen geistreichen Rückblick auf die Musik des 18. Jahrhunderts, vornehmlich auf den Italiener Pergolesi geschrieben. Zugleich gibt es einen zeitgenössischen Ansatz in Sachen Rhythmus und Orchestrierung. Eine lichte, heitere und auch groteske Komposition um den tölpelhaften neapolitanischen Hanswurst entstand in Paris, die Strawinsky selbst zu einer elfsätzigen Suite für den Konzertsaal zusammenstellte. In die Kreativität und Spontaneität der damaligen Kunstwelt der französischen Hauptstadt fühlte man sich während der Aufführung hineinversetzt. Die Dynamik erklang differenziert und rhythmisch präzise, ohne dabei statisch oder unbelebt zu wirken. Bei aller tänzerischen Euphorie, kühnen Rhythmik und aufstoßenden Akzentbetonung hatte Strawinsky doch auch die Stille, Ruhe und Melancholie nach einem bewegten Ballett mitkomponiert. Es ist eines der großartigsten Werke des Komponisten, das in der nuancenreichen Interpretation durch die Kammerakademie und den Dirigenten Antonello Manacorda in ursprünglicher Schönheit und neuem Glanz auch heute fasziniert. Die einzelnen Sätze wurden konsequent durchhörbar, klangschön und launig musiziert, Streicher und Bläser leisteten Beachtliches.
Nach der Pause dann das berühmteste Stück des Konzerts und des französischen Romantikers Camille Saint-Säens, obwohl der Komponist es verhindern wollte, dass das Werk bereits zu seinen Lebzeiten Aufsehen erregte. Klar, dass in der zoologischen Fantasie „Karneval der Tiere“ der Humor groß geschrieben wird. 14 parodistische Musikstücke für zwei Klaviere und kleines Orchester tragen Namen aus dem Tierreich und zielen irgendwie doch auf die Welt der Menschen ab. So porträtiert Saint-Säens beispielsweise die Schildkröten mit einer verlangsamten Can-Can-Version aus Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ und den Elefanten aus dem Sylphidentanz von Hector Berlioz als Kontrabass-Solo (Tobias Lampelzammer). Dabei nutzt er auch seinen eigenen Danse Macabre sowie Rossini als Vorlage. Aber es geht nicht nur vordergründig um Humor, sondern auch um echte Programm-Musik, so in der wässrigen Textur des „Aquariums“ oder bei der flatternden Flöte der „Voliere“. Die schöne Melodie des Schwans ziert viele Cello-Recitals und Ballettaufführungen.
Man spürte, dass den Mitwirkenden es Spaß machte, den Karneval vorzutragen. Die Kammerakademie und die beiden Pianisten Marianna Shirinyan aus Armenien und der aus Island stammende Vikingur Olafsson, auch Jan-Peter Kuschel auf dem Violoncello, trugen die Musik perfekt vor, doch im Wort-Ton-Verhältnis stand sie an diesem Abend hinten an. Das Spannende spielte sich nämlich nicht unbedingt in der Komposition ab, sondern in dem relativ neuen Text von Roger Willemsen, die er zum „Karneval der Tiere“ verfasste: heutig, frech, spöttisch, böse. Nicht allen Zuhörern gefiel die Willemsen-Fassung, wohl aber der Vortrag der Schauspielerin Katja Riemann, die die Welt der Tiere, die unüberhörbar die Welt der Menschen ist, mit vielen farbigen Finessen vortrug. Der Beifall war enthusiastisch. Die Kammerakademie-Saison begann erfolgreich und alle waren glücklich.
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