Kultur: Seeleneinkehr
Kammerkonzert im Havelschlösschen
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Welch innige Zuflucht die Musik bieten kann, zeigt sich in den kleinen geistlichen Konzerten von Heinrich Schütz. Komponiert während des verheerenden Dreißigjährigen Krieges künden diese Werke von der Sehnsucht nach Frieden und Erlösung im Rahmen christlicher Verkündigung. Beim Konzert im gut besuchten Kammermusiksaal des Havelschlösschens am Donnerstag erklangen diese und andere Werke von Komponisten des frühen 17. Jahrhunderts. Für ein stilvolles Hörerlebnis sorgten die Sopranistin Christina Stegmaier, Maximilian Ehrhardt an der Barockharfe und Magnus Andersson an der Theorbe.
Dass der einzelne Mensch überhaupt eine Stimme in der Musik bekommen hat, ist einer gelehrten Diskussionsrunde von Dichtern, Musikern und Philosophen aus Florenz zu verdanken. Ausgehend von philosophischen Texten der Antike formulierten sie nichts weniger als eine musikalische Revolution. Fortan sollten Harmonie und Rhythmus nicht mehr die Alleinherrscher sein, sondern dem Wort und der Textdeutung dienen. Damit begann der Abschied von der kirchlich geprägten Kontrapunkt-Technik, der letztlich zum musikalischen Drama, sei es Oper oder Oratorium, führte.
Während zwei mehrjährigen Aufenthalten in Venedig lernte Heinrich Schütz aus Köstritz an der Quelle der modernen italienischen Gesangskunst. Er wurde ein Bewunderer von Giovanni Gabrieli und Claudio Monteverdi und ging als früher Meister der gesungenen Kirchenmusik in die deutsche Musikgeschichte ein. Wie sich bei ihm der italienische Vokalstil zu ganz eigenen Formen schlichter, eindringlicher musikalischer Rede bildet, ist an den kleinen geistlichen Konzerten Nr. 306, 282, 285 gut zu erkennen. Mit klar konturierter Stimme bringt Christina Stegmaier den spezifisch nüchternen, zugleich innigen Ton und die geschmeidigen Koloraturen zum Ausdruck. Aus der „Musicalischen Seelenlust“ von Thomaskantor Tobias Michael erklingen zwei gottesfürchtige, ebenfalls im Stil der venezianischen Schule komponierte Motetten. Um einiges prunkvoller und süffiger erweisen sich die Werke der Italiener. Schon bei dem gebürtigen Venezianer Giovanni Girolami Kapsberger, von Hause aus Lautenist, erblühen die Klänge der Toccata für Theorbe unter den flinken Fingern von Magnus Andersson. Auf der Barockharfe erklingt mit markant-sonorem Klang eine raffiniert-vertrackte Toccata für zwei Lauten, filigran gespielt von Maximilian Ehrhardt. Als Komponist überragte Claudio Monteverdi seine Zeitgenossen bei Weitem, nicht nur als Schöpfer der ersten Oper, sondern auch im Bereich der Kirchenmusik als maestro di cappella von San Marco.
Wie eng weltliche und sakrale Sphären in der Musik miteinander verschmelzen, zeigt sich bei Monteverdis geistlichen Gesängen „Salve o Regina“ und „Laudate Dominum“, die ebenso als Opernarien bestehen können. Eingeleitet von einer prachtvollen Ciacona, die mit ihrer treibenden, repetierten Basslinie gut als Rockmusik des Barock durchgehen kann, lässt Christina Stegmaier ihre ausgeglichene Stimme zum Finale in vollem Glanz erstrahlen. Großer Beifall für eine erbauliche Stunde musikalischer Seeleneinkehr beim kleinen Konzert im Havelschlösschen. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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