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Von Almut Andreae: Sehnsuchtsräume

Kulissenträume und Lichtspiele der Berliner Fotokünstlerin Anna Lehmann-Brauns in der a/e-Galerie

Stand:

Es ist verblüffend, wie ein ganz bestimmtes Licht jeden einzelnen Raum mit Bedeutung regelrecht aufladen kann. Da ist das in Rosatöne gehüllte Eingangsfoyer, von dem aus eine imposante Treppe ins darüber liegende Stockwerk führt. Oder, in der Fotoarbeit „Universum Lounge“ einfach nur diese vielen schimmernden Strippen eines Vorhangs aus goldenen Perlenschnüren. In den Blick durch diesen glitzernden Vorhang raus auf die Straße, den die Aufnahme einfängt, mischt sich die Anmutung einer langen Nacht.

Anna Lehmann-Brauns ist die Schöpferin dieser Bilder. Fotoarbeiten der vergangenen Jahre sind im Rahmen ihrer Ausstellung mit dem Titel „Kulissenträume – Lichtspiele“ in der a/e Galerie am Luisenforum zu sehen. Die 1967 in Berlin geborene Fotokünstlerin war in Potsdam zuletzt im Jahr 2008 mit einer Einzelausstellung im Kunsthaus zu erleben. In der aktuellen Ausstellung sind nun Arbeiten, die man auch schon 2008 sah, mit neueren Fotografien vereint. Letztere entstanden an Filmsets, einerseits in Köln, andererseits in Babelsberg.

Mit dem inhaltlichen Bezug zum Film würdigt Galeristin Angelika Euchner das noch junge Jahr des Films aus Anlass von 100 Jahren Babelsberger Filmstudios. Dort dürfte Anna Lehmann-Brauns 2008 und 2009 am Set für die Telenovela „Julia – Wege zum Glück“ fotografieren. Dabei ist unter anderem das eingangs beschriebene Motiv entstanden. Als C-Print auf Alu Dibondm einer etwa drei Millimeter starken Verbundplatte aus zwei Aluminiumplatten und einem schwarzen Hartkunststoffkern, großformatig aufgezogen, entfaltet es in der Ausstellung starke Wirkung. Dass es sich bei dem Interieur um einen künstlich geschaffenen Raum handelt, teilt sich dem Betrachter eher auf den zweiten Blick mit. Die Scheinwerfer unter der Decke werden zum Signum der bis ins Detail arrangierten Kulisse. In einer weiteren Fotoarbeit der Ausstellung wiederholt sich dieser Effekt.

Anna Lehmann-Brauns scheint von artifiziellen Räumen geradezu magisch angezogen. Angefangen von den Modellen, die sie vor Jahren im Puppenstubenformat anfertigte, um sehr persönliche Erinnerungsräume zu erzeugen, bis hin zur Filmkulisse teilt sich diese Faszination für das geheime Innenleben von Räumlichkeiten spürbar mit. In der Ausstellung am Luisenforum fehlt zumindest ein Beispiel dieser frühen Arbeitsweise der Fotokünstlerin nicht. „Sebastian“ ist die Aufnahme einer Zimmerecke mit Blick nach draußen überschrieben. An der Wand über dem Bett hängt ein Plakat von den Rolling Stones. Durch ein Fenster wandert der Blick unwillkürlich weiter nach draußen. Dass es sich in dieser vielfach vergrößerten Aufnahme eines täuschend echt gestalteten Zimmermodells nicht um einen realen Raum handelt, erkennt man erst, wenn man sich in die Details versenkt.

Die konzentrierte Zusammenstellung von zehn Fotoarbeiten aus zehn Jahren in der Ausstellung zeigt sehr deutlich: Anna Lehmann-Brauns, die ihr Handwerk als Fotokünstlerin an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig erlernte, fokussiert ihre Arbeit exklusiv auf die Darstellung und Inszenierung von Räumen. Ob es sich dabei eher um Innen- oder Außenräume handelt, spielt dabei weniger die Rolle. Interessant vielmehr ist: Nicht der Dokumentation objektiver Räume gilt das Interesse der Künstlerin, sondern dem sinnlich betriebenen Spiel mit der Imagination. Verhandelt wird in diesen konsequent menschenleeren Räumen das ganze Spektrum an Möglichkeiten dessen, was sich an diesem Ort vorher abgespielt haben könnte und was danach. Ob Anna Lehmann-Brauns nun eine Filmkulisse in Szene setzt, ein nächtliches Interieur, eine Außenaufnahme oder ein eigenes Erlebnis: Immer werden diese Räume zu einer Bühne. Menschliche Anwesenheit glaubt man durch Accessoires zu spüren, ohne dass auch nur eine Person die Szene betritt. Fenster, Türen, Durchblicke, Treppenhäuser, Vorhänge bieten dem Betrachter konkrete Angriffsflächen, aus denen ganze Geschichten entstehen. Gehüllt in dieses ganz spezielle Licht öffnen sich die stimmungsvollen Bilder von Anna Lehmann-Brauns zu geradezu intimen Sehnsuchtsräumen.

Noch bis zum 12. März, mittwochs und freitags, 15-19 Uhr, samstags, 12-16 Uhr, in der a/e Galerie in der Hermann-Elflein-Straße 18 (Luisenforum)

Almut Andreae

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