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Neue Bilder-Welten. Der Kameramann Wolfgang Braumann hat in der Malerei sein zweite Berufung gefunden.

© Andreas Klaer

Kultur: Seine Welt in Bildern

Der Maler und Kameramann Wolfgang Braumann wird am heutigen Montag 75 Jahre alt

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Es gibt kaum noch einen freien Platz. Alle Wände in der Wohnung sind mit Bildern übersät. Mit durchweg kleinen Formaten. Mehr Malfreiheit gibt das Arbeitszimmer nicht her. Die auf Leinwand, glattem Porzellan oder rauen Kacheln aufgetragenen Landschaften, die er so gut vom Drehen kennt, erzählen von der Hingabe Wolfgang Braumanns zum Licht und von seiner Ruhelosigkeit. Wolfgang Braumann muss einfach malen, auch wenn ihm seine Frau, die Kostümbildnerin Barbara Braumann, gern Einhalt gebieten würde. Sie weiß einfach nicht mehr, wo sie noch Bilder aufhängen soll. Aber nachdem ihr Mann vor über 20 Jahren nach Abwicklung der Defa seinen Platz als Kameramann in den Filmateliers Babelsberg verloren hat, trägt er fast besessen das Licht in die Malerei. Er beleuchtet ganz auf sich konzentriert die eigene Welt, auch wenn er lieber weiterhin gemeinsam an Filmideen gearbeitet hätte.

Am heutigen Montag feiert Wolfgang Braumann seinen 75. Geburtstag. Wenn er mit der großen Familie, den Kindern, Enkeln und Großenkeln zusammensitzt, will er eine kleine Rede halten. Nicht über seine fast 40 Filme mit den großen Leinwanderfolgen „Der Mann, der nach der Oma kam“, „Der Baulöwe“ mit Rolf Herricht oder den Indianerfilm „Tecumseh“. Auch nicht über seine vielen Märchen, die er gedreht hat und die immer wieder im Fernsehen zu sehen sind, wie jüngst „Der Prinz hinter den sieben Meeren“.

Er wird den Kindern vielmehr davon erzählen, wie er am 14. April 1945, an einem Samstag, den Bombenangriff auf Potsdam erlebte, wie die Kellerwohnung in der Zimmerstraße 9, gleich neben dem alten Theater, bebte. Er wird ihnen auch erzählen, wie er als kleiner Junge weglief, als die Russen am 1. Mai 1946 ein Feuerwerk im benachbarten Park Sanssouci entzündeten und er in den Luftschutzkeller rannte, weil er dachte, der Krieg kommt zurück.

Fast versunken auf dem großen schweren Stuhl erinnert sich Braumann noch genau, wie er als Siebenjähriger zu Fuß mit der Mutter und dem kleineren Bruder für ein halbes Jahr zu Verwandten ins brandenburgische Wustrau ging. Anders als die meisten seiner Spielkameraden hatte Wolfgang Braumann während des Krieges seinen Vater an der Seite, der nicht an die Front musste. Als Spitzendreher wurde er vor Ort für die Kriegsproduktion gebraucht. Vielleicht ist es dieser genaue Blick, das Präzise, das Wolfgang Braumann, der in Potsdam geboren wurde, hier an der Filmhochschule studierte und fast 40 Jahre bei der Defa in Babelsberg arbeitete, von seinem Vater geerbt hat.

Fast pedantisch sei er gewesen, um Kamerastandpunkte festzulegen, „sodass wir kurz vor Drehbeginn eigentlich sagen konnten: Der Film ist fertig, er muss jetzt nur noch gedreht werden“, erinnert sich Regisseur Günter Meyer, mit dem Wolfgang Braumann unter anderem „Kai in der Kiste“, „Spuk aus der Gruft“ und die letzte Fernsehserie im DDR-Fernsehen „Sherlock Holmes und die sieben Zwerge“ drehte. Dass dieses Projekt noch verwirklicht werden konnte, dafür sorgte Braumann mit einer List. Bei der Abwicklung des Ost-Fernsehens nach der Wende hieß es, dass alle bereits angefangenen Filme zu Ende gedreht werden können. Für „Sherlock Holmes“ gab es indes nicht viel mehr als das Exposé. Also nahm Braumann seine Kamera, fuhr ins benachbarte Golm und filmte einen Raben, der schließlich Assistent von Holmes wurde.

Braumanns großes Reservoir an Erinnerungen an die Defa-Zeit geht nicht verloren. Es ist schriftlich festgehalten in einem Zeitzeugengespräch, das das Archiv des Filmmuseums mit zahlreichen ehemaligen Mitarbeitern der Defa führte. Wolfgang Braumann legt eine dicke graue Mappe auf den runden Tisch mit dem weißen Spitzendeckchen. „Ich habe das nicht zu Ende gelesen. Es ist furchtbar“, sagt er. Natürlich meint er nicht den Inhalt, sondern den Sprachfluss. Es wurden seine Erinnerungen wortwörtlich aufgeschrieben, aber nicht bearbeitet. Wolfgang Braumann ist nicht der große Redner. Er gehört eher zu den Leisen. Sein Name steht für stimmungsvolle Landschafts- und Tieraufnahmen. Er hat mit Defa-Stars wie Angelica Domröse, Wilfried Glatzeder, Marita Böhme, Ursula Werner oder Erwin Geschonneck zusammengearbeitet.

„Ich bin mit allen klargekommen und sie auch mit mir“, sagt Braumann. Das größte Kompliment für einen Kameramann bei der Defa sei gewesen, er könne auch auf Orwo drehen, denn das Filmmaterial in der DDR war hart und kontrastbetont. Braumann schaffte es, milde Schatten zu werfen, wo es drohte, allzu bunt zu werden. Regisseure wie Hans Kratzert, Walter Beck oder Günter Meyer arbeiteten immer wieder mit ihm zusammen, weil er präzise war und einfallsreich. „Ich hätte vielleicht noch öfter mit ihm gedreht“, sagte Günter Meyer, „aber Wolfgang war immer ausgebucht; die Regisseure, die einmal mit ihm zusammengearbeitet hatten, planten sehr langfristig ihre Drehzeiten vor, um wieder mit ihm drehen zu können.“

Geburtstagsehrung mit Wolfgang Braumann am Samstag, 12. Januar, um 18 Uhr im Filmmuseum, Breite Straße 1A

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