Kultur: „Selbstauslöser“
Die vorerst letzte Ausstellung der Offenen Kunstvereins
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Die vorerst letzte Ausstellung der Offenen Kunstvereins Die Ausstellung wirkt wie ein aufgeblättertes Album einer großen turbulenten und etwas verrückten Familie. Aus den vielen Gesichtern, die ab heute um 20 Uhr von den Wänden des KunstWerks auf die Besucher schauen, leuchtet Fröhlichkeit und Lebenslust. Zwölf Jahre spiegeln sich in den Fotografien, zwölf Jahre unermüdlicher fantasievoller Projektarbeit des Offenen Kunstvereins. Aus den Kindern sind inzwischen Erwachsene geworden, und noch immer halten viele von ihnen dem kunstbeflissenen Verein die Treue. Einige haben inzwischen aus dem Hobby ihren Beruf gemacht oder sind auf dem besten Wege dazu. Die Idee zu diesem fotografischen Rückblick mit dem Titel „Selbstauslöser“ stammt von Sabine Raetsch, der Geschäftsführerin des Vereins. „Ich wollte mit dieser Schau unseren Fotografen, die uns über die Jahre die Treue gehalten haben, einfach Danke sagen.“ Allerdings stellte sich dieser „Dankesgruß“ schwieriger als gedacht heraus. „Die meisten Fotografen reagierten nicht, hatten wohl keine Zeit, sich mit dem Vergrößern ihrer Arbeiten zu beschäftigen.“ Doch Sabine Raetsch ließ von ihrer Idee nicht ab, und schließlich kam doch noch eine stattliche Anzahl von Fotos zusammen, die auf sehr unterschiedliche Weise Geschichte und Geschichten erzählen. Die unterste Etage ist originellen Schnappschüssen vorbehalten, die wie an einer Wohnzimmerwand dicht aneinander gereiht hängen. Da sind Schwein und Ziege in bester Pose, gibt es die drolligsten Kinder-„Schnuten“. Die nächste Etage fügt schachbrettartig die Porträts der Vereinsmitglieder zusammen, die Sabine Raetsch immer wieder vor die Kamera holte. Viele Gesichter kennt man von Theateraufführungen, auch wenn sie inzwischen den Kinderschuhen entwachsen sind und längst der Flaumbart sprießt. Sabine Raetsch fühlt einen „unheimlichen Reichtum“, wenn sie auf die Ausstellung schaut. Natürlich spiegelt sich ein Großteil ihres eigenen Lebens in diesen Bildern wider, steckt Energie und Kraft, aber eben auch eine große Bereicherung in den vielen Projekten, die sie gemeinsam mit ihren Kids realisierte. Besonders intensiv haben sich die Zeiten in Bulgarien in die Erinnerung eingeschrieben. „Seit 1997 gibt es regelmäßige Kontakte, die in feste Freundschaften mündeten. Wir haben einfach eine gemeinsame Ebene.“ In diesem Jahr kommen die kunstsinnigen Freunde mit nach Gottsdorf, dem dörflichen Eldorado, der dem Leben im Offenen Kunstverein alljährlich die sommerliche Krone aufsetzt. Was diese geballte Kunstzeit an fantasievollen Früchten bislang hervor brachte, auch das ist an den Fotos abzulesen. Da blättert sich erneut die „Russische Seele“ auf, erinnern drei feuerrote Assistenten des Teufels an das Alte Testament oder „Hundegräber im Park“ an königliche Kuriositäten. Erster Blickfang in der schönsten, weil lichtdurchfluteten obersten Etage sind drei in grün-gelbes Licht getauchte Fotografien von Lutzi Schröder, die seit Jahren im Malkurs des Vereins ihre Freizeit verbringt und jetzt die Zusage für ein Fotografiestudium in Leipzig erhielt. Ihre inszenierten entrückten „Strandfotos“ atmen das Flair der 20er Jahre. Die Fotoschau trägt ganz verschiedene Handschriften, u.a. von Heike Isenmann, Bernd Gurlt, Manfred Thomas und Sandra Morgenstern, und fügen sich doch zu einem großen Bild zusammen. Es ist das facettenreiche Porträt eines „Zauberers“, der immer wieder neue Geister herauf beschwört. Die Ausstellung ist allerdings auch ein Abgesang, denn Ende Mai beginnen im KunstWerk die Bauarbeiten. Für gut anderthalb Jahre zieht der Offene Kunstverein ins Haus vis-a-vis, in die Schopenhauerstraße 16. „Den größten Müll dieses ehemaligen Besetzerhauses haben wir bereits entsorgt.“ Nach einem weiteren Subbotnik sollen die Räume kursfein sein. Ausstellungen kann es dort indes nicht geben, „das geben die Räume nicht her“. Insofern ist „Selbstauslöser“ auch der Schlussstrich unter eine wichtige Etappe. Bleibt zu hoffen, dass die Räume und der idyllische Innenhof auch nach der Sanierung noch den Geist des kunterbunten und eben etwas verrückten Vereins atmen. Heidi Jäger
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