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Kultur: Selbstfindung

Die Theatergruppe „Tarántula“ mit „Wildfremd“

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Geduld ist eine Tugend und will geübt sein. Wer es darin nicht weit gebracht hat, wurde am vergangenen Samstagabend in der Potsdamer fabrik ein wenig auf die Probe gestellt. Schnell wie ein Videoclip nämlich baut sich das von der Theatergruppe „Tarántula“ ausgearbeitete Stück „Wildfremd“ auf und provoziert die leise Frage aus dem überwiegend jugendlichen Publikum, wann denn die Geschichte nun endlich losgehe. Aber los geht in der sehr frei nach Ibsens „Peer Gynt“ adaptierten Geschichte um den Bauernsohn Peer so richtig gar nichts.

Das Stück ist in 21 Bildern ausgearbeitet, die sich in schneller Abfolge aneinanderreihen und so den Inhalt nicht in einen klassischen Erzählfluss binden, sondern den Zuschauer herausfordern, bis zum Schluss konzentriert zu bleiben, um aus den einzelnen Teilen schließlich ein Ganzes zu bilden. Man lernt Peer und die Bewohner des norwegischen Städtchens Christiansand in kurzen Einstellungen kennen, in denen schnell klar wird, dass Peer (Martin Strohe) nicht in den konservativen Lebensentwurf seiner Mitmenschen passt.

Peer ist ein Aufschneider und Träumer, der viel will, aber nicht viel kann. Die ihm zugetane Ingrid wird die Braut eines anderen und Solveig, die sich wider Willen in ihn verliebt, ist enttäuscht, als sie erfährt, dass Peer im „Schrägen Haus“ ein Kind mit einem Trollmädchen gezeugt hat. In Gynts Geschichte flüchtet Peer sich in solch schwierigen Situationen aus der Realität und träumt sich immer wieder in die Position des Helden.

In der unter der Regie von Ulrike Schlue entstandenen Version „Wildfremd“ gelingt der plausible Übertritt in die Phantasiewelt nicht ganz so flüssig. Die schnellen Szenenwechsel in der beinahe ohne Bühnenbild auskommenden Geschichte, in denen die Grenze zwischen Realität und Wirklichkeit immer wieder übertreten wird, sind in ihrer Darstellung und Umsetzung zwar überaus gelungen und nicht selten auch sehr humorvoll, aber das Verständnis der Geschichte bleibt ein wenig lückenhaft.

Hier helfen wohl vor allem die Kostüme, denn die Trolle tragen schön designte grüne Phantasiekleider, die sich von den einfachen Bauerngewändern Peers und dem Bekannten Mads Moen (Louis Weber) oder Solveig (Maria Vagt) unterscheiden. Damit grenzt sich zumindestens die Welt Christiansands von der Welt im „Schrägen Haus“, dem Wohnort der Trolle, ab.

Was dagegen sehr gut gelingt, ist das Einflechten ganz gegenwärtiger Fragestellungen und das Verknüpfen mit jugendlichen Thematiken. So trifft Peer auf seinem Weg, der ihn in Ulrike Schlues Version nach Las Vegas führt, wo er mit Hilfe des Glücksspiels schnell zu viel Geld kommt, dieses aber schließlich wieder verliert, immer wieder auf eine rätselhafte Gestalt ganz in Schwarz. Diese fordert ihn auf, die eigene Situation zu erkennen und etwas daraus zu lernen. Peer soll sich schlicht und einfach selbst finden. Eine schwere Aufgabe.

Da das Stück doch auch von Leichtigkeit und Humor lebt, dürfen die jungen Frauen auch darüber philosophieren, wie man den richtigen Mann für sich einnimmt. Das Trollmädchen hat damit kein Problem. Sie umtanzt den Jungen mit gekonntem Hüftschwung und bringt ihn dazu, ihr zu folgen. Andrea Schneider

Andrea Schneider

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