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Kultur: Shabath ohne Herrn Grünspecht

Ein Monolog im Theaterschiff: Nina Selchow reist nach Jerusalem

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Es war nicht wie angekündigt die Autorin Miriam Sachs selbst, die ihren Roman „Die Reise nach Jerusalem. Oder 141 Tage Warten auf Grünstein" als szenischen Monolog im Theaterschiff präsentierte. Am Freitagabend räkelte sich stattdessen die Schauspielerin Nina Selchow auf der Bühne, als handele es sich um ein Himmelbett.

Ein Tisch, ein Stuhl, ein eintüriger Schrank, der auch als Tafel diente, zwei Kinderzeichnungen am schwarzen Vorhang, mehr Requisiten waren nicht nötig, um die Wohnung der 30-jährigen Judith zu symbolisieren. Die Mutter zweier Kinder von unterschiedlichen Vätern trägt wie ein kleines Mädchen ein kurzes Kleidchen über der Blue Jeans und hat Haare „wie Ally Mc Beal, nur nicht die Spitzen“.

Judith liegt also anfangs auf dem imaginierten Bett neben dem imaginierten Theo, der nicht nur für die Zeugung der kleinen Maria verantwortlich war, sondern auch für viele unangenehme Schlafgeräusche. Diese kann die junge Frau natürlich nicht mehr hören, und nach einigen Tagen der Quälerei macht sie aus der Wohnung kurzerhand ein vermintes Gebiet, auf der einen Seite sie und die Kinder, auf der anderen Seite der Mann. Trennung also, Kreidegestrichel als Grenze über den Fußboden und den Tisch und einige Reflektionen von Judith: „Warum verlaufen meine Trennungen immer so schleppend?“ fragt sie sich und die Zuschauer, die darauf auch keine Antwort wissen und vielleicht ganz anders darüber denken. Aber dieses Thema ist sowieso bald obsolet. Ihre Gedanken kreisen um ein Zentrum: den Mann, egal ob er Theo oder Grünstein heißt, aber sie hüpfen auch von Film zu Fernsehen, von Ally Mc Beal zu Jeanne d''Arc alias Ingrid Bergmann. Sie ist modern privatsendergesteuert, ihre Vorbilder stammen meist aus Amerika wie die gedankenklammernde Männer-Hysterie. Kaum hat Judith sich von Theo getrennt, ist sie schon wieder verliebt, dieses Mal in Grünstein, den sie auch Grünspecht nennt und mit dessen Judentum sie sich so intensiv auseinandersetzt, dass sie bereit ist, zu konvertieren. Natürlich feiert die Frischverliebte mit ihren Kindern auch den Shabath, ihre Augen glänzen selig beim Anblick des siebenarmigen Leuchters und in Gedanken ist sie bei ihm, als er – in der Woche, nachdem sie sich kennen gelernt haben – nach Tel Aviv fährt.

Sie fürchtet um ihn, erzählt Monologe über den Nahostkonflikt, den sie jetzt offensichtlich erstmals ins Visier nimmt, findet Arafat irgendwie merkwürdig und die Sache mit den siebzig Jungfrauen bemerkenswert. Sharon liegt noch nicht im Koma, aber es ist eine ihr sehr fremde Welt, derer sich die junge Frau mit all der Ernsthaftigkeit der Verliebten annimmt. So geht sie in die Synagoge und macht „keinen Fehler“, und wartet dazwischen immer sehnsüchtig auf den Anruf des Traumhelden. Doch bis zum Ende des Ein-Frau-Stückes geschieht das nicht, und die Unsichere muss wahrscheinlich weiterhin zur Therapeutin.

Das Stück, das aus einem Roman entstanden ist, bringt in bewundernswerter Klarsichtigkeit die moderne weibliche Unsicherheit auf die Bühne. Allerdings mit einer an einigen Stellen ebenso unsicheren Schauspielerin – und das war wahrscheinlich nicht geplant. Dennoch ein gut unterhaltendes, erhellendes und die Neurosen moderner Großstadtfrauen pointierendes Stück. Lore Bardens

Lore Bardens

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